Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

276 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903 1008. 
  
deutsche Absicht, sich ein wirtschaftliches Monopol im Bereiche der chine- 
sischen Provinz Schantung zu schaffen. Von solchen Bestrebungen war, 
beilãufig bemerkt, nicht die Rede, aber es kam den Engländern darauf an, 
in China wie in Japan Stimmung gegen Deutschland und die deutschen 
Kaufleute zu machen. 
Anfang Januar 1906 hielt der neue Staatssekretär, Sir Edward Grey, 
eine Rede, in der die Stelle vorkam: „England wird sein möglichstes tun, 
um seine Beziehungen zu Oeutschland zu verbessern, aber diese Annäherung 
bleibt immer von einem guten Einverständnis zwischen Deutschland und 
Frankreich abhängig“; mit anderen Worten: England verlangt vom Deut- 
schen Reiche, daß es sich mit Frankreich gut stelle, also den Franzosen in 
all ihren Wünschen zu Willen sei. Zugleich bildete diese Wendung Greys 
eine Antwort auf jenc damals einsetzenden vielfach gutgemeinten, aber 
tatsächlich verfeblten sogenannten Verständigungsbemühungen zwischen 
Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ungefähr seit dem Jahre 
1904 war es zu einer Art Mode geworden, daß Angehörige der deutschen 
Finanz, des Sandels, der Presse, der Kommunalbeamtenschaft, der Künst- 
ler- und Gelehrtenwelt entweder entsprechende englische Kreise einluden 
oder zum Besuche nach England gingen, um so die „Verständigung“ zwi- 
schen den beiden Bölkern zu fördern, VBerstimmungen und Mißverständ- 
nisse auszuscheiden. In England hatten sich zum selben Zwecke einige 
unbedeutende Organisationen gebildet. In Deutschland förderte die Re- 
gierung diese sogenannten Verständigungsbestrebungen mit einer Be- 
Flissenheit, die einerseits ihren Zweck nicht erreichte, anderseits als Schwäche 
ausgelegt werden konnte. Oer Grundgedanke der Bestrebungen ging 
aus dem Mangel an Verständnis für die eigentlichen Triebfedern und 
Ursachen des englisch-deutschen Gegensatzed bervor. 
Wie der belgische Geschäftsträger zu London in Zanuar 1906 seiner 
Regierung berichtete, sagte Sir Edward Grey damals zu wiederholten 
Malen den verschiedenen in London beglaubigten Botschaftern, daß Groß- 
britannien Frankreich gegenüber bezüglich Marokkos Verpflichtungen 
eingegangen sei, denen es bis zum Außersten nachkommen werde, selbft 
im Falle eines deutsch-französischen Krieges und auf alle Gefahr hin. — 
Während die Konferenz tagte, tat man großbritannischerseit alles, um 
den Franzosen Deutschland gegenüber den Rücken zu stärken und ihnen 
jeden Zweifel an der englischen Zuverlässigkeit zu nehmen. Das bezweckte 
ebenfalls ein plötzlicher Besuch König Eduards von England in Paris 
während der ersten Märztage. Der König wohnte in der Botschaft und 
lud dorthin außer dem Präsidenten der Republik auch Delcassé cin. Der 
König wollte damit den Franzosen, dem Deutschen Reiche und der ganzen 
Welt zeigen, daß er die schroff gegen Deutschland gerichtete Politik Del-
	        
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