Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XXX Zur Einführung. 
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friedlichem Wege zum willenlosen Objekte Großbritanniens gemacht 
werden müsse. Der Deutsche Kaiser erkannte mit Antritt seiner Regierung 
das Mittel und den Weg. Weitblickend und mit mächtiger Anregung 
verlangte er eine starke Flotte für das Deutsche Reich. Zehn Jahre lang 
mußte er vergebens gegen deutschen Unverstand, gegen Gedankenträgheit 
und Widerspruch kämpfen. Dann gelang es mit Hilfe des von ihm er- 
wählten Mannes, des späteren Großadmirals v. Tirpitz, den Flottenbau 
in die Wege zu leiten. In einer unglaublich kurzen Zeit ist Gewaltiges 
geschaffen worden, aber das Ziel konnte nicht erreicht werden. Der Krieg 
kam zu früh. Die auswärtige Politik des Deutschen Reiches stand nicht 
auf der Höhe der Marinepolitik, und seit dem Zahre 1900 hat sie die letztere 
bekämpft, geleitet durch den schweren Zrrtum einer deutschen Verständi- 
gungspolitik Großbritannien gegenüber um den Preis deutscher See- 
geltung und Unabhängigkeit. 
Der deutsche Flottengedanke und die deutsche Flotte selbst ziehen sich 
durch die ganze im vorliegenden Buche behandelte Periode hindurch, 
bald in dieser Form, bald in jener. In Großbritannien war man sich klar 
darüber, daß eine Lösung der deutschen Flottenfrage im deutschen Sinne 
es dem britischen Volke unmöglich machen werde, seine Handelseifersucht 
dem Oeutschen Reiche gegenüber in der altgewohnten und überlieferten 
Weise zu betätigen. So ging die britische Politik zielbewußt darauf aus, 
einer starken deutschen Flottenpolitik alle denkbaren Hindernisse in den 
Weg zu legen, politisch wie wirtschaftlich, immer im Gedanken, daß die 
deutsche Flottenfrage mit der Entwicklung des Deutschen Reiches als 
Festlandmacht eng und ursächlich zusammenhinge. Auch unter diesem 
Gesichtspunkte betrachtet, wird man erkennen, daß die europäische Politik 
seit 1890 im Zeichen des großbritannischen Kampfes gegen den wirtschaft- 
lichen Nebenbuhler Deutschland gestanden hat. 
Zur Zeit, wo diese Zeilen geschrieben werden, scheint der Große 
Krieg in sein entscheidendes Stadium getreten zu sein. Die Oeutschen 
haben allen Grund, guten Mutes der Zukunft entgegenzusehen. Wenn 
gerade in diesem weltgeschichtlichen Augenblick eine neue Auflage dieses 
Buches in die Offentlichkeit gehen kann, so muß sich damit der ernste Wunsch 
verbinden, daß für den Friedensschluß und für die nachfolgende Zeit die 
Deutschen aus den politischen und wirtschaftlichen Begebnissen und Er- 
fahrungen lernen mögen; daß sie sich endlich die dem Deutschen so schwie- 
rige Erkenntnis aneignen, daß Leben und Entwicklung der Bölker auf der 
Machtfrage beruhen und immer beruhen werden und daß auch eine so- 
genannte Kulturpolitik der realen Machtgrundlage bedarf. 
Charlottenburg, Mai 1917. 
Graf Ernst Reventlow.
	        
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