Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die beiden Konferenzen: Algeciras und Saag. 279 
  
Auslassungen ODelcasses wurden damals — bedauerlicherweise auch von 
deutscher Seite — besprochen, als ob sie nicht auf Wahrheit beruhten. 
In der Tat hat die britische Regierung, und zwar auf Initiative des Königs, 
jenes Versprechen gegeben. Ob England damals schon praktisch in der 
Lage gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls wissen wir aber, 
wie noch gezeigt werden wird, daß seitdem ein wesentlicher Teil der groß- 
britannischen Kriegsvorbereitungen darauf gerichtet war, ein möglichst 
starkes Expeditionskorps zum Gebrauche auf dem europäischen Festlande 
zu schaffen und alle Mittel einer schnellen Organisierung der Expedition 
für den Ernstfall herzustellen. 
Die in Betracht kommenden dänischen Häfen wären die Aalbaeker- 
bucht an der Ostküste Nordjütlande und der Hafen von Esbjerg an der 
jütischen Westküste, unmittelbar nördlich der deutschen Grenze gewesen. 
Von dort, so war der Gedanke, sollte das britische Expeditionskorps nach 
seiner Landung in das deutsche Nordschleswig und von da nach Süden 
vorstoßen. Daß die britische Kanalflotte kurz nach den Delcasséschen Ent- 
hüllungen und mitten in einer Periode europäischer Kriegsspannung 
nicht nur jene beiden jütischen Häfen besuchte, sondern sogar Landungs- 
übungen dort vornahm, war eine Demonstration von außerordentlicher 
Unverfrorenheit sowohl dem Deutschen Reiche wie Dänemark gegenüber, 
welch letzteres, wie man schon damals voraussehen konnte, in einem euro- 
päischen Kriege eine sehr schwierige Stellung haben würde. Den Dänen 
wurde es auch zuviel. Gelegentlich eines Festessens, das für die englischen 
Offiziere in Esbjerg veranstaltet wurde, hielt der dänische Kommandeur 
Bluhme als amtlicher Vertreter der dänischen Regierung eine Rede, die 
allgemeines Aufsehen erregte. Bluhme wies auf die Beschießung Kopen- 
hagens und auf die Wegnahme der dänischen Flotte durch Großbritannien 
hin. Anderseits sprach er von der Angliederung Schleswig-Holsteins an 
Preußen. Das einst große und mächtige Dänemark sei klein und schwach 
geworden. Deswegen sei es entschlossen, unabhängig zu bleiben und 
müsse sich demzufolge „streng neutral halten und nie daran denken, sich 
in Meinungesverschiedenheiten der europäischen Großmächte zu mischen“. 
— Diese dänische Stellungnahme entsprang rein realpolitischen Erwägun- 
gen, keineöwegö Sympathien für Deutschland. Solche waren nicht vor- 
handen, wohl dagegen bestanden sie Großbritannien gegenüber. Als die 
Admirale des englischen Geschwaders nach Kopenhagen eingeladen, vom 
König von Dänemark empfangen wurden, schrieb der in Dänemark an- 
gesehene Schriftsteller Brandes in einer der größten Kopenhagener Zei- 
tungen: Dänemark würde am besten tun, sich ganz unter englischen Schutz 
zu stellen. Ahnlich hat sich die dänische Stimmung auch in der Folgezeit 
gehalten. Dieser Stimmung aber standen die Ergebnisse sachlicher Be-
	        
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