Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

280 5. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
urteilung der Lage und der NMachtfaktoren gegenüber. Oiese drängten 
die verantwortlichen Politiker in Dänemark zur NReutralität. Man glaubte, 
daß der große europäische Krieg früher oder später kommen werde, und 
begriff mit nüchternem Blicke die Schwierigkeit der Lage Dänemarks. 
Llm 17. JZanuar 1006 trat endlich die Marokkokonferenz zusammen, 
und zwar zu Algeciras, der damit berühmt gewordenen kleinen Küsten- 
stadt Spaniens unter den Kanonen des britischen Gibraltar. Bertreten 
waren dieselben Mächte, welche seinerzeit die Madrider Konferenz 1881 
beschickt hatten: das Deutsche Reich, Rußland, Großbritannien, ÖOster- 
reich-Ungarn, Frankreich, Italien, die Vereinigten Staaten, Portugal, 
Schweden, Spanien, die Aiederlande und Belgien. Oen Vorsitz führte 
der spanische Minister des Auswärtigen, der Herzog von Almodovar, 
also ein Mann, dem die französisch-spanischen und die englisch-franzö- 
sischen Geheimverträge ebenso bekannt waren wie die aus ihnen erwach- 
senden politischen Zukunftsabsichten der drei Länder hinsichtlich Marokkos. 
Der Herzog von Almodovar war mithin von vornherein Partei und mit 
seiner Regierung entschlossener Gegner der von Deutschland vertretenen 
Politik. Er stand ganz auf dem Boden der Geheimverträge, nicht auf 
dem des Konferenzprogrammes. Schon in diesem Umstande zeigt sich, 
daß die Konferenz von seiten der überwiegenden Mehrheit der an ihr 
teilnehmenden Mächte wenn nicht als Farce, so doch als ein mit allen 
Mitteln zu überwindendes Hindernis angesehen wurde: man wollte 
sie zur Farce machen. In seiner Eröffnungerede betonte der Spanier 
nichtsdestoweniger feierlich „den dreifachen Grundsatz der Souveränität 
des Sultans, der Integrität seiner Staaten und der Gleichbeit der Be- 
handlung in kommerzieller Beziehung“". Als Ziel der Konferenz gab er 
die Notwendigkeit an, „gegenseitige Achtung der gegenseitigen Interessen 
und den aufrichtigen Wunsch, die gegenseitigen Interessen in Einklang 
zu bringen mit den Grundsätzen der Souveränität des Sultans und der 
Integrität seines Reiches“. Der Inhalt der Gebeimverträge lautete, 
wie wir gesehen haben, genau gegenteilig, nämlich auf Vernichtung der 
Souveränität des Sultans, auf Berletzung der Integrität des marokka- 
nischen Gebiete5 und dessen Teilung unter Frankreich und Spanien. 
Die Bernichtung der Handelefreiheit war ohne weiteres darin eingeschlossen. 
Auch beute ist noch nicht bekannt, ob und wieweit die deutsche Regierung 
damals über Vorhandensein und Inhalt der Gebeimverträge zwischen 
Großbritannien und Frankreich einerseits, Frankreich, Großbritannien 
und Spanien anderseits unterrichtet gewesen sei. Sollte das der Fall 
gewesen sein, so würde auch für das Deutsche Reich und Osterreich-Un- 
garn die Beschickung der Algeciraskonferenz und die während ihrer Dauer 
gepflogenen Berbandlungen eine Farce, ein Schauspiel gebildet haben,
	        
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