Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 291
ob der britisch-japanische Vertrag geheime Klauseln gehabt hat, aber der
Krieg 1914 hat den Beweis geliefert, wie der Bündnisvertrag der japa—
nischen Regierung als vorbereiteter Vorwand gedient hat, dem Deutschen
Reiche Kiautschon zu nehmen. Im Jahre 1905 sollte der Vertrag mög-
licherweise auch als Hindernis für Deutschland dienen, sein Gebiet über
Kiautschou hinaus in Ostasien zu erweitern; eine Absicht, die übrigens,
wenn überhaupt, nur für den Fall gehegt worden sein kann, daß das
Chinesische Reich zerfallen und aufgeteilt werden würde. Im übrigen ist die
ostasiatische Politik des Deutschen Reiches ebenso wie die deutsche Politik
jener Zahre überhaupt stets mit äußerster Vorsicht zu Werke gegangen, hbat
große Pläne niemals praktisch ins Auge gefaßt und hat an weitere Ausdeh-
nung weder in Ostasien noch in anderen Weltteilen und Gegenden gedacht.
Für Großbritannien bedeutete die Verbreiterung des Bündnisses mit
Japan im Bereine mit dessen zeitlicher Verlängerung eine Sicherung der
britischen Position im fernen Osten und gleichzeitig eine Bindung Zapans.
Diese mußte um so wirksamer sein, als JZapan durch großbritannisches Geld
gebunden und für die schwere Zeit nach dem Kriege auf dieses angewiesen
war. Anderseits war die Erbitterung in- Zapan dadurch gegen Oeutsch-
land wieder geschürt worden, daß der amerikanische Präsident Roosevelt
und die großbritannische Regierung auf den Oeutschen Kaiser als den-
jenigen hinwiesen, der in erster Linie dazu beigetragen habe, daß im Herbst
1905 die Mächte versuchten, den ostasiatischen Krieg zu beenden und die Ver-
handlungen dadurch zu beschleunigen, daß Japan keine Kriegsentschädigung
von Rußland erhielt.
In Europa benutzten König Eduard und die in Betracht kommenden
Minister schon im Jahre 1905 die marokkanische Spannung, um zwischen
Frankreich und Großbritannien die Grundlagen zu einer Militär- und
Marinekonvention zu legen. Der erwähnte und durch die Enthüllungen
Delcassés zunächst in die Offentlichkeit gebrachte Plan, 100 O00 Mann
großbritannischer Truppen für den Kriegsfall an der schleswig-holstei-
nischen oder der jütländischen Küste zu landen, soll ursprünglich ein eigen-
mächtig von König Eduard gemachtes Angebot und Versprechen gewesen
sein. Seine Autorität und sein Ansehen in Großbritannien waren damals
so groß, daß er sich derartiges wohl leisten konnte in der Gewißheit, daß
das Parlament und das Kabinett eintretendenfalls ohne Zweifel ihre
Zustimmung geben würden. Ohne Zweifel haben sich auch die militä-
rischen und maritimen Autoritäten mit den Einzelheiten zu befassen be-
gonnen. Die Erörterungen führten schon im Frühjahr 10906 zur Hinein-
beziehung Belgiens. Die kurz nach Beginn des Krieges 1914/15 vor-
gefundenen Dokumente liefern gerade für dieses geschichtlich wichtige und
politisch interessante Kapitel unanfechtbares Material:
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