Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 293 
  
Bevölkerung ließ sich widerstandslos von Großbritannien und Frankreich 
mit Furcht und Mißtrauen gegen Deutschland erfüllen. Die englische und 
französische Presse ließ nicht nach, den Belgiern zu predigen, daß Deutsch- 
land nur auf den Augenblick warte, um Belgien zu annektieren, und im 
Falle des ebenso sicher bevorstehenden deutschen Angriffskrieges gegen 
Frankreich würden deutsche Armeen zweifellos die belgische Neutralität 
verletzen. So ließ das zur Neutralität durch internationale Verträge ver- 
pflichtete Belgien sich zur Verletzung dieser seiner Pflichten veranlassen, 
indem es mit den beiden Westmächten die Militärkonventionen abschloß 
und sie nach allen Seiten sorgfältig geheimhielt. Für Großbritannien und 
Frankreich und ihre gemeinsamen Zukunftspläne im Hinblick auf das 
Deutsche Reich war diese Gewinnung Belgiens ein großer Erfolg. Ob es 
damals in Belgien an den leitenden Stellen Staatsmänner gab, welche 
dieser Bindung durch England und Frankreich entgegen waren, ist nicht 
bekannt, aber möglich, nach einigen Außerungen des belgischen Gesandten 
zu Berlin, Baron Greindl, zu schließen. Außer Zweifel steht dagegen, daß 
nach den slizzierten Vorgängen weder das belgische Heer, noch die Be- 
völkerung, noch die Regierung der Versuchung Widerstand geleistet haben 
würden, sich von den britischen und französischen Truppen zum Angriffe 
auf das deutsche Gebiet fortreißen zu lassen. Wieweit man an den leiten- 
den deutschen Stellen über diese Lage der Dinge unterrichtet gewesen ist, 
steht dahin. Uber die belgischen Abmachungen mit Frankreich und Groß- 
britannien wird man schwerlich Genaues gewußt haben, dagegen über die 
Intimität des Berhältnisses und anderseits über die belgische Abneigung 
gegen Deutschland nicht im Zweifel gewesen sein. 
Um dieselbe Zeit hat Großbritannien Versuche gemacht, die Re- 
gierung der Niederlande zu ähnlichen Abmachungen zu bewegen. Alrch 
die Neutralität Hollands wollte Großbritannien durch Landung von Trup- 
pen großmütig gegen die von ihm behaupteten deutschen Einfallsabsichten 
schützen. Wie aus den Brüsseler Dokumenten hervorgeht, war es die Ab- 
sicht des britischen Generalstabes, nach Landung der Truppen an der fran- 
zösischen Küste in Antwerpen eine Berpflegungsbasis herzurichten und zu 
unterhalten, mit anderen Worten, alles, was zu diesem Zwecke an Pro- 
viant, Material usw. notwendig war, auf Schiffen durch die Nordsee und 
die Schelde hinauf nach Antwerpen zu befördern. Da die Scheldemündung 
aber holländisches Territorialgewässer war, so hätte bierzu erst die Ge- 
nehmigung Hollands gegeben werden, mithin Holland aus seiner Neutra--- 
lität heraustreten müssen, oder aber Großbritannien hätte durch Er- 
zwingung der Ourchfahrt seinerseits die Neutralität der Niederlande ver- 
letzen müssen. 1906 fanden die großbritannischen Bemühungen den Nieder- 
landen gegenüber kein Entgegenkommen. Wir haben vorher gesehen, wie
	        
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