Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

294 5. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
auch Dänemark gelegentlich des britischen Flottenbesuches 1905 durch den 
Mund des Kommandeurs Bluhme erklärte, es wolle in korrekter Neutralität 
nach allen Seiten hin seine Unabhängigkeit wahren. 
Um so erfolgreicher hatte die großbritannische Politik auf der skan- 
dinavischen Halbinsel gearbeitet. Die alten norwegischen Eifersüchte- 
leien gegen Schweden und die damit verbundenen Wünsche, sich von 
Schweden zu trennen und ein selbständiges Norwegen zu bilden, fanden 
eifrige Unterstützung von britischer Seite. Nach altbewährten englischen 
Methoden murde die norwegische Presse beeinflußt und beherrscht und so 
allmählich eine Stimmung erzeugt, die es im Jahre 1905 zur tatsächlichen 
Trennung von Schweden kommen ließ. Ein deänischer Prinz, der eine 
großbritannische Prinzessin zur Gattin hatte, gelangte auf den norwegischen 
Thron. Damit hatte König Eduard aus einem einheitlich in deutschfreund- 
lichem Sinne geleiteten Skandinavien zwei Staaten gemacht, von denen 
der eine, Schweden, erheblich geschwächt war, der andere, Norwegen, 
mit seiner langen atlantischen und Nordseeküste ganz unter großbritannischem 
Einflusse stand. Die britische Presse unterließ keine Gelegenheit, das nor- 
wegische Mißtrauen gegen Deutschland zu schüren und nahm zum Allasse 
hierzu insonderheit die Besuche Kaiser Wilhelms und die häufigen Aufent- 
halte deutscher Geschwader in norwegischen Gewässern und Häfen. Die 
Deutschen, so erzählte man den Norwegern, wollten in einem europäischen 
Kriege norwegische Häfen besetzen und benutzen, und die Besuche in Friedens- 
zeiten sollten dazu dienen, solche Häfen und Stützpunkte auszukundschaften. 
Bei alledem stand im Jahre 1906 das deutsch-britische Verhältnis 
äußerlich im Zeichen der Entspannung. Im August des gleichen Jahres 
traf König Eduard von England mit Kaiser Wilhelm zu Homburg zu- 
sammen, und wie immer derartige Zusammenkünfte, verlief auch diese 
befriedigend, denn man läßt solche nicht stattfinden, sofern nicht die Sicher-- 
beit befriedigenden Berlaufes unbedingt besteht. Es war eine Zusammen- 
kunft, kein Besuch des Königs. Einen solchen hat König Eduard erst drei 
Jahre später gemacht. Immerhin bedeutete diese Zusammenkunft die 
Wiederaufnahme persönlicher Beziehungen zwischen den beiden Mon- 
archen. Auch die britische Regierung als solche schien damals nach ihren 
Erfolgen von Algeciras und angesichts des immer allgemeiner werdenden 
Umschwunges in Europa zugunsten Großbritanniens der Meinung, man 
könne es nun mit Vorteil dem Deutschen Reiche gegenüber auch einmal 
mit Zuckerbrot versuchen. Erey soll sich zu einer Besserung der Bezie- 
hungen bereit erklärt haben, freilich unter der Bedingung, daß Deutschland 
den Franzosen in Marokko keine Schwierigkeiten in den Weg lege. Da- 
mals tauchte zuerst der später in Deutschland so bekannt gewordene Lord 
Haldane als Freundschafte- und Verständigungsstifter auf. Im Jahre
	        
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