Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 299 
  
gefaßt werden möge: unserer Aufforderung zugunsten einer Herabsetzung 
der Rüstungen zu entsprechen!“ 
Oer britische Standpunkt war da klar zum Ausdrucke gekommen: 
Weil die britische Regierung Glauben bei den anderen Nationen für 
ihre Versicherung verlangte, sie werde niemanden angreifen, konnte sie 
nach ihrer Ansicht Protest dagegen erheben, daß andere Nationen — ge- 
meint war immer ODeutschland — ihre Seerüstungen mit der Begründung 
vermehrten, sich gegen die Möglichkeit eines britischen Angriffes zu sichern. 
— DOie Anspielung des Unterstaatssekretärs auf den „großen Schlag“ sollte 
eine Desavouierung des vormaligen Zivillords der Admiralität, Mr. Lee, 
bedeuten. Uberhaupt war die ganze Rede im Grunde nichts als eine Be- 
schwörung Deutschlands: von seinen Rüstungen abzulassen. Zum ersten 
Male wurde damals im Frühsommer 1906 jenes einzigartige Ansinnen an 
eine fremde unbesiegte Großmacht mit der ebenso einzigartigen Begrün- 
dung gestellt: ihre Seerüstungen einzuschränken, weil England nicht be- 
absichtige, sie anzugreifen! Die britische Flotte war ungefähr um das Orei- 
fache stärker als die deutsche. Man kannte aber das deutsche Bauprogramm 
und konnte ohne Prophetengabe berechnen, daß England von Jahr zu 
Zahr größere Opfer für die Flotte werde bringen müssen, wenn die deutsche 
Marine, die der Bereinigten Staaten, die Fapans und die Frankreichs ihre 
Rüstungen fortsetzten. Deshalb war es, von dem Standpunkte der bri- 
tischen Staatsmänner aus gesehen, am wünschenswertesten, den damaligen 
Stand der britischen AUberlegenheit zur See, in erster Linie der Nordsee- 
wacht Deutschland gegenüber, ohne größere, wenn möglich mit geringeren 
Flottenkosten aufrechtzuerhalten. Den Weg hierzu erblickte Mr. Camp- 
bell-Bannerman in einer internationalen Festlegung. 
In Deutschland war man sich wohl immer darüber klar gewesen, daß 
die deutsche Flottenbaupolitik nicht von freudiger Zustimmung Groß- 
britanniens begleitet werden würde. Diese deutsche Marinepolitik, ver- 
körpert durch das Flottengesetz von 1900, hatte sich das Ziel gesetzt, die deut- 
sche Flotte aus einer unbeachtlichen Größe zu einem Machtfaktor zu machen. 
Sie sollte so stark werden, daß auch die größte Seemacht einen Kampf mit 
ihr als ein bedenkliches Risiko anzusehen genötigt wäre. Die großbritan- 
nische Geschichte zeigt ausnahmstlos die gleiche Erscheinung, daß Großbritan- 
nien jede neu erstehende, auf gesunder Grundlage erwachsende Seemacht 
mit Arger und Unruhe und die entsprechende Marinepolitik des betreffenden 
Landes mit Mißtrauen und steigendem Hasse begleitet. Die deutsche Flotte 
war so klein, die großbritannische ihr um so viel überlegen, daß die britische 
Regierung und Presse einer tief angelegten und ebenso dauernd wie raffi- 
niert betriebenen Propaganda bedurfte, um den Durchschnitt der groß- 
britannischen Bevölkerung von der sinnlosen Behauptung zu überzeugen:
	        
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