Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

308 5. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
erneuerung des Bismarckschen Rückversicherungsvertrages. In Ostasien 
fanden sich die deutsche und die russische Politik wieder zueinander und 
arbeiteten seit dem Ende des Japanisch-Chinesischen Krieges dort bald in 
ausgesprochenem, bald in unauspesprochenem Gegensatze zur britischen 
Politik, außerdem zur japanischen und um den Preis des Verlustes japani- 
scher Freundschaft und japanischen Bertrauens. In London hoffte man 
damals und Jahre nachher noch, Deutschland gerade für die ostasiatischen 
Fragen auf die britische Seite hinüberzuziehen, um für Großbritanniens 
Ostasienziele einen Helfer auf dem europäischen Festlande zu gewinnen, 
außerdem aus Gründen der allgemeinen Politik einen russisch-deutschen 
Gegensatz wieder zu erzeugen. Geschildert wurde, wie diese großbritannischen 
Bemühungen an dem konsequenten Bestreben des Fürsten Bülow schei- 
terten, einerseits Großbritannien gegenüber volitisch unabhängig zu blei- 
ben, ferner jeden Gegensatz zu Rußland zu vermeiden. Die russische Ex- 
pansionspolitik im fernen Osten und der damit sich immer mehr verschär- 
fende britisch-russische Gegensatz zwang den Fürsten Bülow, sich in der 
Mandschureifrage klar zu äußern und Stellung zu nehmen. Das war 
auch die Entscheidung über die Gestaltung der großbritannisch-deutschen 
Beziehungen. Die Entente Cordiale mit Frankreich wurde nach kurzer 
aktiver Borbereitung mit außerordentlicher Schnelligkeit zur Tatsache. Zu- 
gleich aber setzte in der englischen Politik und Presse eine Bewegung ein, 
die, von kaltem Hasse gegen Deutschland getragen, auf eine Annäherung an 
Rußland hinarbeitete. Das binderte die amtliche Politik Großbritanniens. 
freilich nicht, die Konsequenz aus dem Bündnisse mit Zapan zu ziehen 
und ziehben zu lassen: den Ausbruch des Russisch- Fapanischen Krieges im 
Februar 1904. Als anderthalb Jahre später, im Herbst 1905, der Russisch- 
Japanische Krieg entschieden und zu Ende war, befand sich auch schon die. 
russisch-britische Annäherung in vollem Gange. In Berlin freilich glaubte 
man damals noch nicht daran, ja, bielt die Annäherung für ausgeschlossen. 
Man meinte: eine Entente zwischen England und Rußland entbehre der 
notwendigen positiven Grundlagen, stehe außerdem im Widerspruche zu 
dem erweiterten britisch-japanischen Bündnisse — wir haben dieses oben- 
erörtert — und entspreche schließlich nicht der damaligen russischen 
Politik. Außerdem hat man damals deutscherseits allem Anscheine nach 
im Vertrauen gelebt: die deutsche Haltung während des Russisch-Japanischen 
Krieges habe ein festes Band gegenseitigen Bertrauens und zuverlässiger 
Freundschaft, etwa im Sinne der alten preußisch-russischen Beziehungen 
geschaffen. Im Sommer 1905 kam Kaiser Wilhelm mit dem Zaren zu- 
sammen, und die Unruhe der britischen Presse zeigte — damals vor der 
Algeciraskonferenz —, wie unerwünccht ein wirkliches russisch-deutsches 
Einvernehmen gewesen sein würde. Schon im Herbst 1905 aber schreibt.
	        
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