Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Oas russisch-britische Abkommen und andere Abkommen. 311 
  
Schwächung Rußlands durch Zahlung einer Kriegsentschädigung an Ja- 
pan erfolgreich verhinderten: Rußland sollte nicht zu schwach, Zapan nicht 
zu stark werden. Die russische Regierung empfand diesen Dienst der beiden 
angelsächsischen Mächte naturgemäß mit großer Genugtuung. 
Oie Erweiterung des britisch-japanischen Bündnisses (oben besprochen) 
sicherte für Großbritannien im Vereine mit Japan den Status quo in ganz 
Ostasien und enthielt gegen Rußland nichts Feindseliges unter der nun- 
mehr begründeten Voraussetzung, daß Rußlands Ziele im fernen Osten 
für absehbare Zeit defensiver Natur blieben. 
König Eduard und seine Berater, welche alle von vornherein nicht 
nur politisch, sondern auch persönlich einem freundlichen Berhältnisse zu 
Rußland alle Sympathie entgegenbrachten — König Eduard hatte sich 
als Prinz von Wales schon seit vielen Jahren angelegen sein lassen, seine 
Beziehungen zum russischen Hofe teils direkt, teilö über Kopenhagen intim 
zu halten —, sahen den Augenblick gekommen. Die russische Gefahr für 
England war durch die Schlachten in der Mandschurei und durch die See- 
schlacht bei Tsuschima zum Berschwinden gebracht worden, nun hieß es 
für die großbritannische Realpolitik: den geschlagenen Gegner durch Ent- 
gegenkommen und Freundschaft sich verbinden. Ein mächtiger und wirk- 
samer Helfer zu diesem Ziele war schon seit Jahren die französische Politik 
und Diplomatie gewesen. Frankreichs Interesse, ein intimes Berhältnis 
zwischen dem neuen Freunde, Großbritannien, und Rußland, dem alten 
Verbündeten, herzustellen, lag auf der Hand. Einmal war für die fran- 
zösische Politik die bisherige Stellung zwischen dem verbündeten Ruß- 
land und dem befreundeten Großbritannien, welche in scharfem poli- 
tischen Gegensatze zueinander standen, schwierig und peinlich, bisweilen 
eine politisch diplomatische Zwickmühle gewesen. Frankreich hatte zwischen 
Bündnispflichten und Ententepflichten, zmischen dem Wunsche, das eine 
Berhältnis intimer zu machen, das andere nicht erkalten zu lassen, einen 
Eiertanz bewerkstelligen müssen, den auf die Dauer erfolgreich durchzu- 
führen, ausgeschlossen war. Zu dieser Erwägung kam die zweite: für Frank- 
reichs Festlandsstellung, für seine gesamte Politik zu Wasser und zu Lande, 
vor allem für seine Revancheziele bedeutete es einen unermeßlichen Vor- 
teil, wenn der alte britisch-russische Gegensatz verschwand oder zum min- 
desten dauerhaft überbrückt wurde. Hier traf sich das französische Ziel mit 
dem großbritannischen. Dieses Ziel war seit 1903 die Zsolierung Deutsch-- 
lands. Zede Maßnahme, jede Unterlassung der Politik König Eduards 
und seiner Regierung wurde unter diesem Gesichtspunkte gesehen, be- 
urteilt und verwirklicht. Er beherrschte in der Tat die Politik Großbritan- 
niens seit dem Jahre 1903. Daraus ergab sich ohne weiteres, daß die 
Leiter der großbritannischen Politik, ehe noch der ostasiatische Krieg zu
	        
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