Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

312 3. Abschnitt. Bor und nach Algecira6. 1903—1908. 
  
Ende war, alles taten, um zu verhindern, daß eine engere deutsch-russische 
Annäherung einträte. Deutsche Staatsmänner haben sich begreiflicherweise 
über jene Pläne und Hoffnungen später niemals ausgelassen, denn die 
Pläne und Hoffnungen waren eben gescheitert. 
Ein deutsch-russischer Zweibund, vielleicht nach L#lrt der früheren Rück- 
versicherung, folglich unbeschadet des Dreibundes, brauchte nicht nur in 
Europa nichts zu scheuen, sondern wäre eine beherrschende Macht geworden. 
Das Problem für die deutsche Politik und Diplomatie würde darin gelegen 
haben, im Orient die Möglichkeit eines deutsch-russisch-österreichisch-ungari- 
schen Zusammengehens zu schaffen.. Has were sicher schwer gewesen, 
aber angesichts der damaligen Ungeklärtheit der Verhältnisse konnte man 
sich berechtigt halten, die Lösung des Problems jedenfalls für eine gewisse 
Reihe von Zahren als möglich zu betrachten und zu behandeln. Oie deutsche 
Politik scheint geglaubt zu haben, diese Dinge würden sich mit einer gewissen 
Folgerichtigkeit von selbst entwickeln, und wird weitere Gründe für ihre Zu- 
versicht aus dem Glauben abgeleitet haben, Rußland sei nicht mehr gefährlich 
wie früher, deswegen bestehe auch nicht mehr die Gefahr, daß ein enges Zu- 
sammengehen die Unabhängigkeit der deutschen Politik und damit des Deut- 
schen Reiches in Frage stelle. Um so größer werde Rußlands Nutzen, um 
so nützlicher würde ein solches Zusammengehen für das Deutsche Reich sein. 
Zn der Tat konnten auch nüchterne Beurteiler sich gegen Ende des 
Russisch--Zapanischen Krieges dem Eindrucke kaum entziehen, daß die durch 
den Krieg geschaffenen Verhältnisse für eine geschickt und entschlossen arbei- 
tende, dabei sich ihres Zieles bewußte deutsche Politik reiche Aussichten 
boten, um die Stellung des Deutschen Reiches in Europa zu sichern und zu 
vergrößern. Oesto tiefer war in Deutschland die Enttäuschung, zunächst 
über die Haltung der russischen Regierung und ihrer Bertreter zu Algeciras 
und dann über die immer offensichtlicher werdende britisch-russische An- 
näherung, welche durch die angeführten Worte des Fürsten Bülow am 
50. April 1907 eine trübe Bestätigung erhielten. Die durch den britisch- 
russischen Zusammenschluß geschaffene europäische Lage bedeutete den 
Beginn einer neuen Epoche der europäischen Geschichte: den Zusammen- 
schluß Großbritanniens mit den beiden europäischen Festlandmächten 
gegen das Deutsche Reich, zum Zwecke, das Deutsche Reich zu isolieren, 
und aus der Tatsache dieser Isolierung von Fall zu Fall die politischen 
und, wenn nötig, auch die kriegerischen Konsequenzen zu ziehen. Als Fürst 
Bülow im November 1907 noch einmal auf die englisch-russischen Ab- 
machungen zurückkam, sagte er zum Schlusse seiner Ausführungen: „Ich 
glaube, die Rolle des ruhigen Beobachters ist derjenigen des Propheten 
vorzuziehen.. Ich denke, wir sind alle der Ansicht, die beste Politik bleibt: 
auf dem Posten zu sein, wachsam zu sein und furchtlos.“ In diesen Worten
	        
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