Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

322 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
Aktion keine Hindernisse in den Weg gelegt, das sei ebenso selbstverständ- 
lich wie die Tatsache, daß die Berantwortlichkeit für sie lediglich den beiden 
beteiligten Mächten Frankreich und Spanien zufalle; die Aktion gehöre 
nicht in den Rahmen der Algecirasakte. 
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ sprach sich ähnlich aus. 
Damit nahm eine nicht endende Reihe von „Zwischenfällen“ und 
Aktionen in Marokko ihren Anfang. Es ist nicht Sache dieser Schrift, die 
Einzelheiten jener Entwicklung zu schildern. Sie haben mit der deutschen 
Politik schließlich mur wenig mehr zu tun gehabt, denn deren Stellung war 
de facto feftgelegt, teils freiwillig, teils durch den Vertrag von Algeciras. 
Das Deutsche Reich hatte weder im Falle AUdschda noch im Falle 
Casablanca Einspruch gegen das französische VBorgehen, als im Gegensatze 
zur Algecirasakte stehend, erhoben und sprach damit selbst der Akte sowohl 
wie der deutschen Marokkopolitik das Urteil. Das war, nach dem deutschen 
Standpunkte, wie er im vorigen Abschnitt ausführlich dargelegt worden 
ist, nicht weiter verwunderlich, zeigte aber anderseits, daß der Deutsche 
Reichskanzler, Fürst Bülow, selbst die Algecirasakte nur als eine Außer- 
lichkeit, im besten Falle als ein Provisorium ansah. Sonst hätte Bülow 
in beiden genannten Fällen protestieren müssen. Er tat das nicht, sondern 
begnügte sich mit den Erklärungen Pichons, man werde Adschda wieder 
räumen und sei zur Beschießung von Casablanca gezwungen worden, 
dächte an keine Eroberungen und stehe treu auf dem Boden der Algeciras- 
akte. Der Minister Pichon hatte die Pspchologie der deutschen Marokko- 
politik richtig erkannt. Er begriff, daß es in Berlin nur darauf ankam, das 
Ansehen des Reiches zu wahren und sich keine offenen Achtungsverletzungen 
gefallen zu lassen, daß aber ein als verantwortlich empfundenes Znteresse der 
deutschen Regierung an einer wirklichen Beachtung der Algecirasakte nicht 
bestand. Pichon war klug genug, um die richtigen Konsequenzen aus dieser 
seiner Wahrnehmung zu ziehen, und hütete sich, in den Fehler seines Vor- 
gängers Oelcassé zu verfallen, der ohne Not das Deutsche Reich brüskierte und 
die deutsche Regierung zwang, sich zur Wehr zu setzen. Schon die Algeciras-- 
konferenz hatte den französischen Staatsmännern gezeigt, wie man Deutsch- 
land gegenüber verfahren müsse. Pichon bildete diese seine Methode in 
einer, vom französischen Standpunkte gesehen, sehr praktischen Weise 
aus: er unterließ keine Gelegenheit, bald feierlich, bald verbindlich und 
liebenswürdig zu betonen und zu versichern, wie ernst Frankreich die Ver- 
pflichtungen nähme, die ihm aus der Algecirasakte erwachsen wären, daß 
man an Gebietserweiterungen in Marokko, an Beeinträchtigung der Un- 
abhängigkeit des Sultans oder der Handelefreiheit nicht im entferntesten 
denke, natürlich aber nicht wisse, wozu Frankreich durch unvorhergesehene 
Ereignisse gezwungen werden könne. Solche Versicherungen binderten
	        
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