Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Das russisch-britische Abkommen und andere Abkommen. 333 
  
Frieden erworbenen Rechte auf die Herzogtümer Holstein und Schleswig 
mit der Maßgabe, daß die nördlichen Distrikte von Schleswig, wenn deren 
Bevölkerung durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben 
sollte, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten 
werden sollten. — De kacto stand freilich schon seit Zahrzehnten fest, 
daß jene, wie es heißt, Napoleon III. als intellektuellem Urheber zu- 
zuschreibenden Bestimmungen des Artikels 5 niemals tatsächliche Folge 
erhalten würden. Die dänische Regierung hat niemals an etwas anderes 
gedacht. Immerhin erkannte sie, wie gesagt, in der Einleitung des Ver- 
trages von 1907 zum erstenmal ausdrücklich die dänisch-preußische Grenze 
nicht nur als vorhanden, sondern als rechtsgültig an. Zm übrigen war 
Artikel 5 des Prager Friedens durch einen Vertrag zwischen Preußen und 
Osterreich vom I1. Oktober 1878 ausdrücklich außer Gültigkeit gesetzt worden. 
Wie 1907 halbamtlich erklärt wurde, beseitigte der Optantenvertrag 
einen wunden Punkt der deutsch-dänischen Beziehungen, und man hoffte, 
daß die in den Grenzgebieten bestehenden Spannungen nunmehr über- 
haupt behoben wären, glaubte auch, daß die deutschfeindliche Agitation 
in Nordschleswig keinen Rückhalt mehr im Königreiche Dänemark hätte. 
Daß diese Erwartungen getäuscht worden sind, kann schon hier bemerkt 
werden. Die seit dem Optantenvertrage verflossenen ZJahre zeigten, daß 
das Dänentum in Nordschleöwig von Jahr zu ZJahr stärker und zuver- 
sichtlicher wurde und aus der Berteidigung zum Angriffe überging. 
Unter den dänisch gesinnten Nordschleôwigern und ebenso in den 
unversöhnlich gesinnten Kreisen im Königreich Dänemark nahm man die 
deutsche Versöhnlichkeit für Schwäche und für Furcht im Hinblick auf 
die Haltung Dänemarks in einem zukünftigen Kriege. Auf beiden Seiten 
der Grenze stieg die dänische Zuversicht und ebenso das Mißtrauen gegen 
das Deutsche Reich. Der von Bertretern der deutschen Reichsregierung 
betonte Hauptzweck des Bertrages: durch dieses bedeutende Zugeständnis 
eine freundlichere Atmosphäre zwischen Dänen und Deutschen zu schaffen, 
war mißlungen. 
So bot das politische Europa der damaligen Jahre das Bild einer 
Sammlung der Mehrhbeit der europäischen Mächte gegen das Deutsche 
Reich unter großbritannischer Führung. London war der politische und 
diplomatische Kraftmittelpunkt, und König Eduard mit den leitenden 
Staatomännern befand sich in unaufhörlicher ebenso eifriger wie um- 
sichtiger Arbeit, um aus dem 1904 geschaffenen Kerne: der Entente Cor- 
diale, eine umfassende, gegen das Deutsche Reich gerichtete Koalition zu 
machen. Das Deutsche Reich aber mußte die Erfahrung machen, daß, je 
nachgiebiger und versöhnlicher es sich nach allen Seiten zeigte, desto 
schneller der Prozeß seiner Zsolierung fortschritt.
	        
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