Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Orientpolitik und Bosnische Krisis. 341 
  
land widersetzte sich den Zollerböhungen unter dem Vorwande: die bri- 
tische Politik werde nicht die Hand bieten zu solchen, den Handel nach 
der Türkei belastenden Maßnahmen, um ein Eisenbahnwerk zu fördern, 
welches politisch und wirtschaftlich gegen Rußland gerichtet sei. 
1903 wurde, wie früher erwähnt, ein neues Abkommen der Bank- 
gesellschaft mit der türkischen Regierung getroffen, unter Neugründung 
der „Kaiserlich Ottomanischen Bagdadbahngesellschaft“. Sie erdielt die 
Konzession auch von Bagdad bis Basra, womit die ganze Strecke von Konia 
bie Ba#ra sichergestellt war. Beiläufig sei bemerkt, daß über diesen, für 
die praktische Durchführung und Inangriffnahme maßgebenden Teil- 
konzessionen immer der große Plan und Grundgedanke einer Bahn bis 
zum Persischen Golf stand; Basra liegt nicht unmittelbar am Golf, sondern 
am Beginn des Schatt-el-Arab. 
Noch einmal versuchte die deutsche Gesellschaft jetzt, 1903, die groß- 
britannische Regierung und damit auch das großbritannische Kapital zu 
gewinnen. Man ging deutscherseits so weit, daß man der englischen und 
französischen Finanz Beteiligung auf gleicher Höhe mit der deutschen 
anbot unter gleichzeitiger Beteiligung der Pforte und der Anatolischen 
Eisenbahn-Gesellschaft mit je zehn Prozent. Als Gegenwert verlangte 
man Zustimmung zur türkischen Zollerhöhung, sofern es für den Weiter- 
bau nötig war. Ferner verlangte man Zustimmung, daß die Bahn bis 
Koweit am Persischen Golf laufe und Koweit befestigt werde. Schließ- 
lich sollte die Bahn nach ihrer Fertigstellung für die indische Post benutzt 
werden. 
Die großbritannische Regierung, deren Staatssekretär des Auswär- 
tigen Lord Lansdowne war, verhielt sich zunächst diesem Anerbieten 
gegenüber dem Alnscheine nach entgegenkommend. Auch englische Ge- 
schäftsleute haben noch Jahre später behauptet, Lord Lansdowne sei dem 
Plan unter den vorgeschlagenen Berhältnissen günstig gesinnt gewesen. 
SGenug, die britische Regierung lehnte ab unter einem gleichzeitigen Em- 
pörungeosturme eines großen Teils der britischen Presse: ein Zusammen- 
gehen Großbritanniens mit Deutschland wie in der Benezuela-Angelegen- 
beit würde schmachvoll sein und sei ausgeschlossen. Großbritannien dürfe 
sich an dem Bagdadbahnplane unter keinen Umständen beteiligen, denn 
seine Ourchführung gefährde Indien und Algypten und auch die 
britischen Beziehungen zu Rußland. Oamals, eben vor dem Russisch- 
Japanischen Kriege, mochte diese Berufung sonderbar erscheinen. Im Lichte 
der späteren Entwicklung ist aber anzunehmen, daß in der Tat der in 
englischen und russischen Kreisen damals schon propagierte Gedanke eines 
Zusammengehens der beiden Länder zur Einwirkung auf die britische 
Regierung erfolgreich ins Feld geführt wurde. Mit dem leidenschaftslosen
	        
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