Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Potsdam — Agadir — Tripolis. 1909—1912. 587 
  
Seerüstungen zu veranlassen, dachte, äußerte er zunächst im Dezember 
1910 im Deutschen Reichstage: die großbritannische Regierung habe 
wiederholt dem Gedanken Auedruck gegeben, eine vertragsmäßige Fest- 
legung der Flottenstärken der einzelnen Mächte würde zu einer wesentlichen 
Beruhigung in den internationalen Beziehungen beitragen. Oiesen Ge- 
danken habe England auf der Haager Konferenz und auch nachher wieder--- 
holt angeregt, „ohne jedoch Anträge zu stellen, die für uns den Anlaß 
zu einer positiven Annahme oder zu einer positiven Ablehnung hätten 
geben können. Auch wir begegnen uns mit England in dem Wuncche, 
Rivalitäten in Beziehung auf Rüstungen zu vermeiden, haben aber in 
den ab und zu stattgehabten unverbindlichen, von gegenseitigem freund- 
schaftlichen Geiste getragenen Pourparlers stets den Gedanken voran- 
gestellt, daß eine offene und vertrauensvolle Aussprache und darauf 
folgende Berständigung über die beiderseitigen wirtschaftlichen und po- 
litischen Interessen das sicherste Mittel zur Beseitigung jeglichen Miß- 
trauens wegen des gegenseitigen Kräfteverhältnisses zu Wasser und zu 
Lande sei“. Schon die Fortdauer eines zwanglosen und vertrauensvollen 
Gedankenaustausches über alle mit diesen Dingen zusammenhängenden 
Fragen sei eine Garantie für die freundschaftliche Absicht auf beiden 
Seiten und dürfte allmählich aber sicher zur Beseitigung des Mißtrauens 
führen, „das nicht bei den Regierungen, wohl aber in der öffentlichen 
Meinung sich leider vielfach geltend macht“. Das Wesentliche an dieser 
Darlegung war politisch und bleibt geschichtlich, daß der Reichskanzler die 
Ansicht aussprach und hegte, eine vertrauenövolle Aussprache, ein von 
Vertrauen getragener Gedankenaustausch mit der großbritannischen Re- 
gierung bilde überhaupt eine praktische Möglichkeit. Der Reichskanzler war 
von vertrauenswürdigen Absichten der großbritannischen Regierung 
überzeugt und glaubte ebenso an deren Aufrichtigkeit wie an die Zu- 
verlässigkeit britischer Absichten, das gegenseitige Mißtrauen zu beseitigen. 
Zenes Mißtrauen wurde, wie wir gesehen haben, gerade von der selbst 
nicht vertrauenswürdigen britischen Regierung gesät und geschürt, 
welche sich anderseits das Bertrauen des Deutschen Kanzlers mit besonderer 
Genugtuung gefallen ließ und es geschickt auszunutzen verstand. Unter vielen 
anderen bildet für die Bertrauensun würdigkeit einen besonders schlagenden 
Beweis, daß die britische Regierung während der sogenannten Panik im 
Frühjahr 1909 bewußt falsche Angaben über den Stand der deutschen Flotte 
brachte und trotz der sofortigen amtlichen Korrektur durch den Fürsten Bülow 
und den Staatssekretär des Reichsmarineamtes die falschen Angaben 
auch damals noch nicht zurückgenommen hatte, als Herr v. Bethmann Holl- 
weg 1910 seinem Vertrauen Auesdruck gab. Der Nachfolger des Fürsten 
Bülow glaubte offenbar, sein Borgänger habe England gegenüber eine 
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