Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

388 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914. 
  
unrichtige Politik getrieben, und man müsse diese jetzt auf die Basis gegen- 
seitigen Vertrauens stellen. 
Nachdem Fürst Bülow zurückgetreten war, wandte sich die Wut der 
großbritannischen Presse, welche gerade in solchen Fragen nie ohne Ein- 
verständnis mit der Politik der jeweiligen Regierung handelt, mit Er- 
bitterung ausschließlich gegen den deutschen Staatesekretär des Reichs-- 
marineamtes, Admiral v. Tirpitz. Oieser sei ein unbeilvoller Mann, ein 
Feind Englands und nunmehr das einzige Hindernis einer aufrichtigen 
deutsch-englischen Verständigung. — Oas erfolgreiche Fortschreiten der 
Tirpitzschen Baupolitik und die in England bekannte Tatsache, daß der 
Staatssekretär der Durchführung des Flottenprogramms größte Bedeutung 
beimaß, ließ in England die Hoffnung aufkommen, man könne jetzt viel- 
leicht das Berschwinden des unbequemen Mannes von seinem Platze 
erreichen, wenn man ihn als das Hindernis einer aufrichtigen deutsch- 
englischen Verständigung hinstellte. Der friedliche Berlauf der Bosnischen 
Krisis ist, wie in England später zugestanden wurde, durch den damaligen 
Stand des deutschen Flottenbaues tatsächlich bis zu einem gewissen Grade 
beeinflußt worden, er hatte friedenerhaltend gewirkt. 
Die politische Entwicklung der kommenden -Zahre mußte 
durch den deutschen Kurswechsel ganz in das Zeichen der Frage 
der deutsch-englischen Beziehungen treten, und zwar deutscher- 
seits auf unrichtigen Voraussetzungen als Grundlage. 
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Das Jahr 1909 stand politisch noch ganz unter dem Eindrucke der ver- 
flossenen Bosnischen Krisis, deren offizielles Ende in den April fiel. Bei- 
nahe unmittelbar daran knüpfte sich eine Reihe von Fürstenreisen und 
Fürstenbegegnungen. Der deutsche Kronprinz besuchte König Karl von 
Rumänien zu seinem 70. Geburtstage, offenbar als Anerkennung der 
politischen Haltung Rumäniens auch während der Bosnischen Krisis. Die 
Beziehungen Rumäniens zum Oreibunde waren nicht nur sehr enge, son- 
dern es bestanden auch geheime Berträge, welche anscheinend jedoch nur 
dem Könige und dem jeweilig leitenden Staatsmanne bekannt gewesen sind. 
In jener Zeit entsprachen die tatsächlichen Beziehungen, besonders zwischen 
Deutschland und Rumänien, auch der vertraglichen Bindung. Das deutsche 
Kaiserpaar traf im Frühsommer mit dem Könige von Italien zusammen 
und besuchte später auf der Rückreise von Korfu Kaiser Franz Joseph. 
Der Oeutsche Kaiser hatte eine Zusammenkunft mit dem russischen Zaren 
in Begleitung der beiderseitigen Minister. Diese Zusammenkünfte waren 
ohne wesentliche Bedeutung, wenn auch die mit dem Zaren dokumentieren 
sollte, daß aus der Bosnischen Krisis keine Verstimmung zurückgeblieben
	        
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