Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

396. 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914. 
  
persönlich und mit seiner Politik auf dem Boden des britischen Volks- 
empfindens und auf dem Boden einer mehrhundertjährigen politischem 
Überlieferung. Der Kabinettswechsel, und das ist besonders beweiskräftig. 
hierfür, hatte nicht den geringsten Einfluß auf die auswärtige Politik. 
König Eduard trieb sie genau auf der gleichen Linie mit Balfour und Lans— 
downe wie mit Campbell-Bannerman und Grey. Und wenn die Namen 
der Minister anders gelautet hätten, so würde die Richtung ebenfalls die- 
gleiche geblieben sein und nicht minder die Mittel. Deshalb ist es auch irr- 
tümlich, wenn von Eduard VII. und seinen Schülern oder seinen Erben ge- 
sprochen wird. Die Ursachen und Zusammenhänge liegen alle viel tiefer. 
Der Tod des Königs wurde in Deutschland, wo man vielfach diese Zu- 
sammenhänge nicht erkannte oder sich scheute, sie energisch erkennen zu- 
wollen, als der Anfang einer neuen Ara der Entspannung und Versöhnung, 
der Verständigung angesehen. Zedenfalls boffte man, diese Anschauung, 
begen zu können. Eifriger denn je arbeiteten die Berständigungskomitees 
und Amateure ähnlicher Art, und zum hundertsten Male hörte man die 
alten Redewendungen austauschen: die beiden Völker und Staaten seien 
einander die besten Kunden, sie seien aufeinander angewiesen, ernsthafte 
Kriegsgründe beständen nicht, sondern nur Mißverständnisse und äbhnliches.. 
Die Rüstungseinschränkungsfrage wurde in der britischen Presse unauf- 
hörlich weiter behandelt. Der Reichskanzler nahm hierzu Ende März 1911. 
im Reichstage Stellung, indem er eine internationale Abrüstung als. 
praktisch-politische Utopie bezeichnete und ablehnte, dagegen erklärte: die 
deutsche Regierung halte für möglich, in einen Nachrichtenaustausch mit 
Großbritannien über die beiderseitigen Kriegsschiffbauten einzutreten;: 
dadurch könne einer Panik und kampfartigem Wettrüsten vorgebeugt wer- 
den. Er brachte mithbin der großbritannischen Regierung auch auf diesem. 
Gebiete Vertrauen entgegen und maß ihr VBertrauenswürdigkeit bei, 
denn ein solcher Austausch kann nur zweckvoll und anderseites unschädlich- 
sein, wenn beide Mächte Vertrauen zueinander haben und beide vertrauens- 
würdig sind. In Wirklichkeit lag nach wie vor die Sache so, daß die groß 
britannische Regierung und Bevölkerung es als ihr gottgewolltes Recht 
betrachteten, Deutschland zur See ohnmächtig zu halten, und deehalb- 
wider besseres Wissen „Paniken“ inszenierten und den Deutschen Pläne 
unterschoben, die ihnen fernlagen, die auch nicht durchführbar gewesen 
wären, wenn man sie wirklich gewollt hätte. 
Wie die oft genannten Berichte der belgischen Gesandten in jener Zeit 
und wie amtliche deutsche Veröffentlichungen während des Krieges er- 
kennen lassen, hielten die deutschen Staatsmänner im In- und Auslande 
König Eduard für den eigentlich und allein treibenden Geist der deutsch- 
feindlichen und friedengefährdenden Politik Großbritanniens und gingen-
	        
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