Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

400 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914. 
  
Gebiet ließen sich da nicht trennen. Oder man musßte bei einem bestimmten 
Anlaß überhaupt die deutsch-französische Machtfrage aufwerfen. 
An Fußfassung in Marokko hat Kiderlen-Waechter in der Tat niemals 
gedacht. #llle Kombinationen, welche in Deutschland und im Auelande in 
dieser Richtung gemacht worden sind, treffen nicht zu. Daß sein Berbalten 
freilich an der Möglichkeit solcher Mißverständnisse beteiligt gewesen ist, kann 
nicht bestritten werden. Vom März 1911, also Monate vor der „Pantber“- 
Entsendung, bis zum Ende der deutsch-französischen Berhandlungen ist der 
Grundgedanke des Staatssekretärs immer der gleiche geblieben: die marok- 
kanische Frage aufzurollen und zu erledigen, Marokko politisch uneinge- 
schränkt an Frankreich zu überlassen und dafür einen anderweitigen kolo- 
nialen Gegenwert zu erhalten. Die „Panther“-Aktion sollte lediglich 
dienen, um Frankreich zu zwingen, der deutschen Regierung eine erschöp- 
fende Erörterung der Marokkofrage anzubieten. Kiderlen-Waechter war 
der Auffassung, daß ein solcher auffallender Akt nötig sei, weil man nach den 
Vorgängen der letzten Jahre und bei dem französischen Berfahren des 
Ausweichens und Verschleppens sonst keinen Schritt weiterkommen werde. 
Es ist ebenfalls, wie beiläufig bemerkt sein mag, nicht richtig, wenn 
behauptet wurde: der Staatssekretär v. Kiderlen-Waechter habe, bevor er 
den „Panther" nach Agadir schickte, geglaubt, die Haltung Großbritanniens 
in der marokkanischen Frage und besonders Frankreich gegenüber werde 
eine andere als 1905, jedenfalls nicht mehr solidarisch mit Frankreich 
sein. Deshalb habe er den Agadir-Schritt getan und sei in der Folge schwer 
enttäuscht worden. Auch das trifft, jedenfalls in dieser Form, nicht zu. 
Der Staatesekretär äußerte vor der Entsendung des „Panther“ auf eine 
Frage des Verfassers: er glaube, daß Großbritannien genau ebenso zu 
Frankreich halten werde, wie 1905, schon um den Franzosen nicht als 
unzuverlässig zu erscheinen, also die Entente Cordiale zu gefährden. — 
Ob andere Persönlichkeiten in Deutschland gehofft oder geglaubt haben, 
nach dem Tode König Eduards werde Großbritannien sich auch in einer 
deutsch-französischen Marokkospannung anders verhalten als früher, ent- 
zieht sich der Kenntnis. Wahrscheinlich aber ist, daß man im Schoße der 
deutschen Regierung angenommen hat, es werde möglich sein, über Marokko 
und anderweitige Kompensationen für deutsche Verzichte von Anfang an 
bis zu Ende mit Frankreich allein verhandeln zu können. 
Zm Deutschen Reichstage wurde nachher auch die Einwendung er- 
hoben: wenn die Regierung wirklich weiter nichts in Marokko gewollt 
hätte, so wäre das Mittel, ein Kriegsschiff zu entsenden, unverhältnis- 
mäßig groß und zu gefährlich gewesen. Dieser Einwand war nicht richtig, 
denn gelindere Mittel, um die französische Regierung zu stellen, gab es nicht 
mehr. Eine andere Frage war und ist heute noch, ob, im Gegenteil, das
	        
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