Potsdam — Agadir — Tripolis. 1909—1912. 401
Mittel der Kriegsschiffentsendung gerade Frankreich gegenüber stark genug
war, zumal es auch den Fehler hatte, die maritime Seite der Sache zu be-
tonen, welche hier tatsächlich für Deutschland gar nicht vorhanden war, und
damit Großbritannien auf den Plan zu rufen, auch der britischen Re-
gierung den Vorwand zu geben, die Interessen Großbritanniens als ge-
fährdet zu bezeichnen. Man gab damit auch Frankreich eine Waffe, die es
sonst nicht besessen hätte, nämlich Großbritannien auf eben die maritime
Seite hinzuweisen. Die französische Regierung hat damals versucht, zu ver-
anlassen, daß ein britisches Geschwader nach Agadir ginge, überhaupt nichts
versäumt, um die britische Offentlichkeit glauben zu machen, die deutsche
Marokkoaktion sei im Grunde auf die Gewinnung einer atlantischen Flotten-
basis gerichtet. Bei nüchterner Beurteilung der Berhältnisse und Faktoren
wäre es aus diesen Gründen wirkungsvoller und zweckentsprechender ge-
wesen, wenn man den Schwerpunkt der Aktion nicht nach Marokko ver-
legt hätte, sondern sich unter Ausführungen gleichzeitiger Truppenbewe-
gungen an der deutsch-französischen Grenze lediglich nach Paris gewandt
hätte. Der Lokalanstrich, den die „Panther“-Entsendung der Angelegen-
beit gab, hat nur zur Erschwerung und Komplizierung der Sache gedient.
Dazu kam, daß im Oeutschen Reiche ein großer Teil der Bevölkerung zu-
nächst fest überzeugt war, die deutsche Regierung habe den „Panther"“-
Schritt getan, um damit die Hand auf Westmarokko, im besonderen das Sus-
gebiet mit seiner Küste, zu legen. Eine intensive Propaganda für diesen
Plan wurde ins Werk gesetzt, und es lag nabe genug, daß das Ausland
glaubte, sie sei von der Regierung veranlaßt worden oder wohlwollend ge-
duldet.
Genug, die Ankunft des „Panther“ in Agadir erregte größtes Auf-
sehen in Europa, und die Anzeichen einer allgemeinen Krisenspannung
machten sich schnell bemerkbar. Die Presse der Tripelentente tat außer sich
über die deutsche Bedrohung Frankreichs in seinen Rechten und die
Achtungsverletzung Großbritannien gegenüber. Die großbritannische Presse-
hatte bereits seit dem Zuge von Fes die Ansicht vertreten, daß Frankreich=
vollkommen im Rahmen seiner Rechte und der Algecirasakte und unter
voller Zustimmung Großbritanniens vorgehe.
Wenige Tage nach den erwähnten deutschen Beröffentlichungen schon
begannen deutsch-französische Verhandlungen in Berlin, geführt vom
Staatesekretär v. Kiderlen-Waechter und dem französischen Botschafter
zu Berlin, Jules Cambon.
Oie Verhandlungen bewegten sich in zwei Richtungen: Festlegung
wirtschaftlicher Garantien für den deutschen Handel und deutsche Kon-
zessionen in einem französischen Protektorate Marokko; Festsetzung einer
kolonialen Gebietoentschädigung für Deutschland in Mittelafrika, zum Aus-
Graf Reventlow, Heutschlande auewärtige Polltik. 26