Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

408 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914. 
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entstanden war .. . was von veiden zutrifft, kann ich nicht entscheiden, 
und weiter ein hochgespannter Erregungszustand, den der englische Minister 
politischen Alkoholismus genannt hat, so können wir das nur mit Be— 
dauern registrieren, aber wir lehnen die Verantwortung dafür ab!“ Der 
Deutsche Reichskanzler deutete in der gleichen Rede an, daß jetzt eine Periode 
freundlicherer Beziehungen beginnen könne, worauf Grey in einer Rede 
keinen Zweifel ließ, daß seine Politik genau die gleiche wie bisher bleiben 
werde. 
Die Marokkoverhandlungen jedoch nahmen nach jenen Zuliaus- 
einandersetzungen glatteren Fortgang, auch waren spätere öffentliche 
Außerungen der großbritannischen Minister auf einen gemäßigteren Ton 
gestimmt. In der Presse Frankreichs und Englands war Mäßigung frei- 
lich nicht zu bemerken, im Gegenteil, sie tobte mit unverminderter Heftig- 
keit und unterließ nichts, die öffentliche Meinung durch Berleumdungen 
und Äußerungen des Hasses gegen Deutschland zu entflammen. Die Zuli- 
krisis hatte dem französischen BVolke wiederum die Gewißheit gegeben, daß 
Großbritannien zum Kriege bereit und willens sei, an der Seite Frankreiche 
zu kämpfen. Dazu kam, und zum Teil eben aus diesem Grunde, eine große 
Anzahl verschiedener Legenden über die angebliche Absicht, welche das Deut- 
sche Reich mit der Entsendung des „Panther“ verfolgt hätte: die atlantische 
Marokkoküste zu nehmen, einen Einschüchterungsbluff auszuführen, die 
Entente zu sprengen, vor allem aber Frankreich zu demütigen. Gerade 
bierauf reagierte des ganze französische Bolk mit gewohnter flammender 
Heftigkeit. Der alte Haß und die Nachsucht gegen Deutschland stiegen zu 
einer seit langen Jahren nicht erreichten Höhe, und die Rede des englischen 
Ministers Llopd George wurde in Frankreich benutzt, um höbnisch festzu- 
stellen, daß die deutsche Regierung hieraufhin zu Kreuze gekrochen sei: 
zuerst habe sie tatsächlich eine Fußfassung in Marokko beabsichtigt gehabt. 
Nur der englische Einspruch habe sie davon abgehalten. Es lag auf der Hand, 
daß die deutsch-französischen Berhandlungen besonders auch durch den 
Ton der Presse in Frankreich für die deutsche Regierung nicht unerheblich 
erschwert wurden. Immerhin gingen sie ohne wesentliche Pausen weiter 
und wurden schließlich im November zu Ende geführt. Sie erstreckten sich 
auf zwei getrennt behandelte Gebiete: die deutsche Kompensation im Kongo- 
gebiet und die Sicherung deutscher Wirtschaft und deutschen Handels in 
Marokko selbst. BVon der erstgenannten wurde bereits gesprochen. 
Uoer Marokko wurde ein in alle Einzelheiten gehendes Abkommen 
mit Frankreich ausgearbeitet und abgeschlossen, welches die wirtschaft- 
lichen Interessen Deutschlands, seine Rechte und seine Ansprüche festlegte 
und garantierte. Ließe sich nach papierenen Bestimmungen allein der 
Wert eines Abkommens bemessen, so würde sich der damalige deutsch-
	        
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