Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

4 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
  
lung Frankreichs verwenden. Die Hauptträger dieses Programmes waren 
und wurden in der Folgezeit die Minister de Frepcinet und Ribot. Nach 
Berlin wurde der tüchtige Botschafter Herbette geschickt. 
In der bulgarischen Angelegenheit des Fürsten Alexander gelang 
es der französischen Regierung, mit Geschick sich dem russischen Ber- 
trauen zu insinuieren. Sie wurde dabei, abgesehen von der Gunst der 
politischen Lage, auf das eifrigste gefördert durch den russischen Gesandten 
in Paris, Baron v. Mohrenheim, einen Mann, der für die russisch-fran- 
zösische Annäherung, wenn schon meist vielleicht mehr passio als aktio, 
von ganz außerordentlicher Bedeutung gewesen ist. Neben ihm wirkte 
der russische Militärattaché zu Paris, der General Baron Fredericks. Ein 
Symptom der veränderten Atmosphäre ging schon aus einer Ansprache 
dieses Militärs hervor, die er gelegentlich einer Denkmalseinweihung 
zu Paris bielt: „Ich bin hier das Echo der Sompathie, welche diese Feier 
in Rußland hervorruft, ich bringe Ihnen ein Zeugnis der Freundschaft 
Rußlands.“ Von einer Anzahl französischer und russischer Diplomaten 
wurde unaufhörlich und in aller Heimlichkeit an dem großen Ziele russisch- 
französischer Annäherung weitergearbeitet, wenn man auch nur mit 
großer Vorsicht dem Zaren und den Hoftreisen gegenübertrat, denn ihnen 
war das alte traditionelle Verhältnis zu Deutschland noch etwas Selbst- 
verständliches. Der dänische Hof und die dänische Diplomatie aber bildeten 
ein sehr wirksames Hilfsmittel, gewissermaßen den diplomatischen „Um- 
schlagshafen“ des französisch-russischen Berkehrs. 
Das deutsch-französische Berhältnis war gerade in der zweiten Hälfte 
der achtziger Zahre überaus kühl und durch eine nicht endende Reihe 
von „Zwischenfällen“ ein äußerst gespanntes geworden; ein Tatbeweis 
ex contrario übrigens für die Nichtigkeit der Bismarckschen Anschau- 
ung: es sei für Deutschland nützlich, wenn das französische Bolk und 
die französische Politik durch koloniale Unternehmungen nach außen 
abgelenkt und Kräfte wie Interessen außerhalb Frankreichs nach Möglich- 
keit konzentriert würden. Immerhin lag in der Natur der Berhältnisse, 
daß eine solche Politik kolonialer Ablenkung gerade für Frankreich nur 
eine Episode sein konnte. Der Rückschlag mußte einmal kommen. JZe 
später er kam, desto mehr Zeit hatte Bismarck für die Festigung des 
jungen Deutschen Reiches gewonnen. Nicht zu verhindern war die Er- 
starkung Frankreichs, und normal in diesem Sinne war, daß die Autorität 
der Stellung des Deutschen Reiches zu Frankreich von Jahr zu Jahr 
abnahm, anderseits die französische Selbständigkeit und Bewegungs- 
freiheit wuchs. Bismarck sind die russisch-französischen Annäherungs- 
bemühungen nicht verborgen geblieben, er vermochte sie aber nicht zu 
hindern, um so weniger als die Feindlichkeit der russischen Stimmung
	        
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