420 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkrelsung. 1908—1914.
nis bei den verschiedenen Mächten und innerhalb ihrer Bevölkerungen
waren verschiedener Natur. In Großbritannien begann eine schon vorber
vorhandene Stimmung größere, wenn schon vielfach überschätzte Stärke
anzunehmen, die sich gegen die geheime, dem Gutachten von Parlament
und Presse entzogene Politik des britischen Kabinetts richtete. Zm Herbst
1911 waren in einem französischen Blatte, dem „Matin“, jene englisch-
französisch-spanischen Geheimverträge vom Jahre 1904 über Marokko
veröffentlicht worden. Durch das deutsch-französische Abkommen von
1911 hatte Frankreich sein Marokkoziel annähernd erreicht, man konnte
dcohalb die Verträge ohne Schaden veröffentlichen, mit dem Nebenzwecke,
Spanien bloßzustellen, zwischen dessen Regierung und der Frankreichs
starke Meinungsverschiedenheiten über Grenzregelungen in Marokko be-
standen. Die Veröffentlichung jener Geheimverträge warf mit einem
Male ein Schlaglicht auf die Treulosigkeit, die Hinterhaltigkeit und Ber-
logenheit der großbritannisch-französischen Marokkopolitik. Sie zeigte
ferner, daß seit dem Jahre 1904 die englisch-französische Politik vertraglich
vereinigt war, eine Bahn zu geben, vor deren Ziel in jedem Augenblicke
der Krieg stehen und zum Ereignis werden konnte. Sie zeigte, daß die
Konferenz und die Akte von Algeciras eine Täuschung und Farce gewesen
waren. Nur die unerhörte Friedensliebe der deutschen Regierung hatte
verhindert, daß die mit jenen Geheimverträgen verknüpfte Politik nicht zu
einem großen Kriege geführt hatte. Ein halbes Dutzend englischer Staats-
männer und militärischer Autoritäten hatte um die Geheimverträge und
um die britisch-französisch-belgische Militärkonvention gewußt. Die Ka-
binette als Ganzee, ferner die Parlamente hatten keine Ahnung davon ge-
habt. Aus diesen Gründen machte sich im Winter 1911/12 in Kreisen der
liberalen Partei Großbritanniens Opposition gegen diese gefährliche Ge-
beimpolitik im allgemeinen und gegen Sir E. Grep im besonderen geltend.
Hier und da wurde sein Rücktritt gefordert. Dazu kamen die erwähnten Ent-
hüllungen des Hauptmanns Faber, ferner sehr unterrichtete Presseäuße-
rungen, von denen eine Aufsatzreihe der „Morning Post“: „Die Schrift
an der Wand“ hervorgehoben sei; schließlich Berbandlungen im Ober-
hause. Besonders hier wurde die Tatsache offen besprochen, daß im Falle
eines Krieges Großbritannien sofort und so schnell wie möglich eine tun-
lichst große Expeditionsarmee nach dem Festland überzusetzen gewillt sei.
Es wurde von Rednern angedeutet, ohne bei der Regierung Widerspruch
zu finden, daß in der Marokkospannung auch in dieser Beziehung alle Vor-
bereitungen getroffen worden seien, jedoch technische und organisatorische
Mängel und Hemmnisse sich ergeben hätten. Ee entspann sich außerdem
ein Streit über die Frage, ob man für die Ausführung solcher Transporte
vorher die deutsche Flotte vernichtet haben müßte oder nicht. Auch das