Oie Sendung Lord Haldanee, ihre Begleitumstände und Folgen. 425
nehmen würden. Die Verhandlungen zogen sich bis in das Frühjahr 1911
hin, ohne daß irgendein Ergebnis erzielt worden wäre, als das Eingreifen
Englands in die Auseinandersetzung Deutschlands mit Frankreich über
Marokko der ganzen Welt vor Augen führte, wie die englische Entente-
politik, wie der englische Anspruch, gestützt auf seine Ententefreunde, der
ganzen Welt seinen Willen aufzuzwingen, den Weltfrieden bedrohte.
Auch damals war das englische Bolk über die Gefahren der Politik seiner
Regierung nicht genau orientiert gewesen. Denn als es nach Uberwindung
der Krisie erkannte, wie haarscharf es an dem Abgrunde eines Weltkrieges
vorbeigegangen war, machte sich in weiten Kreisen der englischen Nation
die Stimmung geltend, ein Verhältnis mit uns herstellen zu wollen, das
kriegerische Berwicklungen ausschlösse. Man schien an dem einmaligen
Ritte über den Bodensee genug gehabt zu haben.“
Aus diesen im zweiten Kriegsjahre gesprochenen Worten des Kanz-
leroô geht, ales zur Beurteilung seiner politischen Anschauungen wichtig,
das Folgende hervor: der Kanzler hielt König Eduard für den eigentlichen
und alleinigen Träger der englischen Einkreisungopolitik. In Wirklich-
keit ist er das nicht gewesen, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde.
König Eduard trieb vielmehr eine Politik, die alter großbritannischer Tra-
dition und dem Gefühle der erdrückenden Mehrheit des politisch denkenden
Teiles des britischen Volkes entsprach. Zwischen Regierungspartei und
Opposition bestand hierüber keinerlei Meinungsverschiedenheit. Daraus
mußte sich ergeben und hat sich ergeben, daß die Schlußfolgerung nicht
zutraf, der Tod König Eduards werde einen ändernden Einfluß auf die
Grundlagen, die Methoden und die Ziele der auswärtigen Politik Groß-
britanniens ausüben. Es ergibt sich ferner, daß man der Ansicht war, ein
sehr bedeutender Teil des englischen Bolkes sei mit der Greyschen Politik
nicht einverstanden gewesen und wünsche nun aufrichtig ein Verhältnis
wirklicher und kriegaueschließender Freundschaft mit dem Deutschen Reiche.
In Wirklichkeit waren die Kreise, in denen dieses zutraf, verhältniomäßig
klein, sie hatten geringen Einfluß und durchweg verbanden sie den Wunsch
nach einer wirklichen Berständigung mit der selbstverständlichen Boraus--
setzung, daß das Deutsche NReich sich dann in allen Angelegenheiten der
großen Politik Großbritanniens Wünschen unterordnen werde.
Ende 1911 und Anfang 1912, als die deutschen Berständigungsbemü-
hungen auf Grund der geschilderten Ansichten und Voraussetzungen mit
besonderer Hoffnungefreudigkeit und mit ehrlichem Eifer erneuert wurden,
glaubte man in Großbritannien die Gelegenheit gekommen, um endlich
in die Entwicklung der deutschen Flotte eingreifen zu können. Die groß-
britannische Regierung bat anscheinend damals nach Berlin wissen lassen,
daß die in Vorbereitung befindliche deutsche Flottenvorlage wie überhaupt