Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Oie Sendung Lord Haldanee, ihre Begleitumstände und Folgen. 425 
  
nehmen würden. Die Verhandlungen zogen sich bis in das Frühjahr 1911 
hin, ohne daß irgendein Ergebnis erzielt worden wäre, als das Eingreifen 
Englands in die Auseinandersetzung Deutschlands mit Frankreich über 
Marokko der ganzen Welt vor Augen führte, wie die englische Entente- 
politik, wie der englische Anspruch, gestützt auf seine Ententefreunde, der 
ganzen Welt seinen Willen aufzuzwingen, den Weltfrieden bedrohte. 
Auch damals war das englische Bolk über die Gefahren der Politik seiner 
Regierung nicht genau orientiert gewesen. Denn als es nach Uberwindung 
der Krisie erkannte, wie haarscharf es an dem Abgrunde eines Weltkrieges 
vorbeigegangen war, machte sich in weiten Kreisen der englischen Nation 
die Stimmung geltend, ein Verhältnis mit uns herstellen zu wollen, das 
kriegerische Berwicklungen ausschlösse. Man schien an dem einmaligen 
Ritte über den Bodensee genug gehabt zu haben.“ 
Aus diesen im zweiten Kriegsjahre gesprochenen Worten des Kanz- 
leroô geht, ales zur Beurteilung seiner politischen Anschauungen wichtig, 
das Folgende hervor: der Kanzler hielt König Eduard für den eigentlichen 
und alleinigen Träger der englischen Einkreisungopolitik. In Wirklich- 
keit ist er das nicht gewesen, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde. 
König Eduard trieb vielmehr eine Politik, die alter großbritannischer Tra- 
dition und dem Gefühle der erdrückenden Mehrheit des politisch denkenden 
Teiles des britischen Volkes entsprach. Zwischen Regierungspartei und 
Opposition bestand hierüber keinerlei Meinungsverschiedenheit. Daraus 
mußte sich ergeben und hat sich ergeben, daß die Schlußfolgerung nicht 
zutraf, der Tod König Eduards werde einen ändernden Einfluß auf die 
Grundlagen, die Methoden und die Ziele der auswärtigen Politik Groß- 
britanniens ausüben. Es ergibt sich ferner, daß man der Ansicht war, ein 
sehr bedeutender Teil des englischen Bolkes sei mit der Greyschen Politik 
nicht einverstanden gewesen und wünsche nun aufrichtig ein Verhältnis 
wirklicher und kriegaueschließender Freundschaft mit dem Deutschen Reiche. 
In Wirklichkeit waren die Kreise, in denen dieses zutraf, verhältniomäßig 
klein, sie hatten geringen Einfluß und durchweg verbanden sie den Wunsch 
nach einer wirklichen Berständigung mit der selbstverständlichen Boraus-- 
setzung, daß das Deutsche NReich sich dann in allen Angelegenheiten der 
großen Politik Großbritanniens Wünschen unterordnen werde. 
Ende 1911 und Anfang 1912, als die deutschen Berständigungsbemü- 
hungen auf Grund der geschilderten Ansichten und Voraussetzungen mit 
besonderer Hoffnungefreudigkeit und mit ehrlichem Eifer erneuert wurden, 
glaubte man in Großbritannien die Gelegenheit gekommen, um endlich 
in die Entwicklung der deutschen Flotte eingreifen zu können. Die groß- 
britannische Regierung bat anscheinend damals nach Berlin wissen lassen, 
daß die in Vorbereitung befindliche deutsche Flottenvorlage wie überhaupt
	        
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