Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Sendung Lord Baldanes, ihre Begleitumftände und Folgen. 435 
  
  
nie die Absicht gehabt, das sogenannte Angolaabkommen zur Wirklichkeit 
werden zu lassen, war aber sehr befriedigt, daß die alte Lockspeise von 1898 
auch 1912 und 1915 in etwas veränderter Form noch so große Wirkung hatte. 
Im Zahre 1912 ebenfalls kamen Berhandlungen zwischen den beiden 
Nächten über die Bagdadbahn und alle mit diesem Unternehmen zu- 
sammenhängenden Fragen in lebhafteren Fluß. 
Die Anfänge dieser Wendung reichten in das Jahr 1911 zurück. Je 
kräftiger der Bau der Bagdadbahn trotz englischen Widerstandes gefördert 
wurde, je mehr die Bahn sich Bagdad näherte, desto akuter wurde die 
Frage, wie sich nachher, also für den Weiterbau über Bagdad nach Bassora 
und von da nach dem Persischen Golfe, die Dinge entwickeln sollten. Wie 
geschildert worden ist, betrachtete die großbritannische Regierung es als 
einen Eingriff in ihre vitalen Rechte und Interessen, daß eine unter leiten- 
dem deutsch-türkischen Einflusse stehende Bahn bis an den Persischen Golf 
geführt würde. Weitblickend, wie immer, hatten die britischen Staats- 
männer mit den Scheiks von Koweit und Mohammera Abkommen ge- 
troffen. Ein formelles Protektorat beanspruchte Großbritannien hier zwar 
nicht, aber die Regierung betonte die Unabhängigkeit der beiden Scheiks 
der Pforte gegenüber. Was das, im britischen Sinne verstanden, beißen 
sollte, bedarf keiner näheren Erklärung. Oie britische Vorzugsstellung am 
Persischen Golfe war von Rußland ausdrücklich anerkannt worden und vom 
Standpunkte der Machtfrage nicht zu bestreiten. Dieses waren wohl die 
Hauptgründe, weshalb im Winter 1910/11 die Bagdadbahngesellschaft 
auf ihr vertragsmäßiges Recht verzichtete, die Bahn bis an den Persischen 
Golf zu führen. Formal wurde es derart gedreht, daß die Bagdadbahn- 
gesellschaft sich auf den Bau der Bahn bis Bagdad beschränkte. Für den 
Bau des Stückes von Bagdad über Bassora nach einem Punkte des Per- 
sischen Golfes bildete sich neu die „Ottomanische Gesellschaft“. Diese war 
als international unter türkischer Führung geplant, mit der Maßgabe, 
daß der deutsche Interessent geldlich nicht weniger beteiligt sein sollte ale 
jeder der übrigen. Ourch den Berzicht der deutschen Gesellschaft war dem 
grundsätzlichen britischen Widerstande gegen die Vollendung der Bahn 
der Boden entzogen worden. Deutscherseite bedeutete der Berzicht ein 
außerordentliches Entgegenkommen, diktiert freilich durch den immer 
dringender werdenden Wunsch, endlich energisch und ohne Pausen das 
Werk fördern zu können. Als Entschädigung erhielt die Bagdadbahngesell- 
schaft das nicht unwichtig erscheinende Recht, den Hafen von Alexandrette 
auszubauen und ihn durch eine Stichbahn mit der Hauptstrecke der Bagdad- 
bahn bei Osmanje zu verbinden. Hierdurch gewann die Gesellschaft 
wirtschaftliche Berfügung über einen großen und wichtigen Mittelmeer- 
hafen, dessen Wert unschätzbar gewesen wäre, wenn er nicht unter der 
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