Der letzte Akt. 457
Teilungsvertrag über die der Türkei abzunehmenden Gebiete an. Das bis-
her unbeteiligt gebliebene Rumänien hielt Anfang 1915 den Augenblick
für gekommen, um seinerseits eine Kompensation auf Kosten bulga-
rischen Gebietes an der Donaumündung zu verlangen. Ein in Peters-
burg zusammengetretenes, aus den dortigen Botschaftern der Groß-
mächte bestehendes Schiedsgericht der europäischen Mächte entschied zu-
ungunsten Bulgariens. Unmittelbar nach diesem Schiedsspruche führte
die neue bulgarisch-serbische und die bulgarisch-griechische Gebietsstreit-
frage zum Kriege Griechenlands und Serbiens gegen Bulgarien. Bul-
garien ließ sich nicht einschüchtern, zunächst auch dann nicht, als Rumänien
mit seiner unversehrten Armee einzugreifen drohte. In Sofia hoffte
man noch auf russischen Beistand. Rumänien erklärte den Krieg, und
während die rumänischen Truppen schnell und ungehindert gegen Bul-
garien vorrückten, sah die Türkei unter der drängenden Initiative Enver
Beys die Stunde gekommen, um die Bedingungen des Londoner Vor-
friedens für sich zu verbessern. Die türkischen Truppen bemächtigten sich
wieder Adrianopels.
Das durch den Türkenkrieg schon furchtbar geschwächte Bulgarien
mußte dieser AUbermacht vereinigter Feinde rasch erliegen, da es von
Rußland preisgegeben wurde. Das ungeschwächte Rumänien war Herr
der Lage, Bulgarien gab nach, und unter dem Vorsitze des rumänischen
Ministerpräsidenten Majore#cu traten die Bevollmächtigten der Balkan-
regierungen in Bukarest zu einer Konferenz zusammen, welche den Frieden
unter neuer Regelung der Balkangrenzen herstellte. Dieses war der Frieden
zu Bukarest.
Da Rumänien die Lage beherrschte und tatsächlich erzwingen
konnte, was es wollte, so wurde dieser Friede durchaus nach rumä-
nischen Wünschen geregelt. Der alte, weise König Karol von Numä-
nien ging von dem Gesichtspunkte aus, daß für sein Land ein Zustand
relativen Gleichgewichtes auf der Balkanhalbinsel das Wünschenswerteste
sei, denn dann konnte Rumänien durch eine Kombination, sei es mit
einem Balkanstaate, sei es auch mit ÖOsterreich-Ungarn oder mit Ruß-
land, immer die Vormacht bilden, auch in Konflikte mit entsprechender
Ubermacht eingreifen und sic entscheiden. Für sich verlangte Rumänien
nur das Stück an der Donaumündung, das es sich bereits hatte zugestehen
lassen. Serbien wurde durch den Frieden von Bukarest an Gebiet ver-
doppelt, Griechenland nicht ganz so viel, aber doch enorm vergrößert.
Bulgarien erhielt einen kleineren Gebietszuwachs, aber lange nicht den-
jenigen, der ihm nach den Abmachungen von früher gebührt hätte. Auch
Adrianopel, Kirkkilisse und umliegende Gebietsteile mußte es schließlich
wieder herausgeben, so daß sich die Lage der Türkei in Europa gegenüber