Oer letzte Alt. 465
den Untergang des Deutschen Reiches seniattolen schilderte. Franzosen
und Engländer waren der AUberzeugung, daß in einem großen Kriege
der alte Gegensatz zwischen Norddeutschland und Süddeutschland akut
werden und außerdem die deutsche Sozialdemokratie die Gelegenheit be-
nutzen werde, um in Deutschland zur Macht zu gelangen. Kurz, das
französische Erfolgsvertrauen war ebenso echt wie der nach Betätigung
drängende Haß. Um so „deutschfreundlicher“ zeigte sich ein Teil der groß-
britannischen Presse, welche zuweilen sogar milde Verweise nach Paris
richtete, in der Gewißheit, daß man sich auch ohne weiteres und trotz
solcher publizistischen Arabesken voll verstehe. Damals war es auch,
ale führende, dem Kabinett nahestehende großbritannische Organe einerseits
erklärten, Großbritannien könne sich nunmehr ganz auf Inselpolitik zurück-
ziehen, und anderseits von der „brennenden Frage von Alsace-Lorraine“
sprachen, welche gelöst werden müsse, ehe es möglich sei, auf einen dauernden
Frieden in Europa zu rechnen. Das Bertrauen auf die von Fahr zu Jahr
steigende gewaltige russische Stärke schimmerte auch britischerseits, wenn schon
vorsichtig, durch, während die russische Presse ihre eigene Zuversicht durch
jene Steigerung grober Anmaßung des Tones bekundete, wie er in Rußland
eigentümlich ist. Inmitten dieser gespannten und haßerfüllten Atmo-
sphäre fand jener Berliner Hochzeitsbesuch statt. Vier Wochen später
war der Präsident Poincaré in London.
Besondere politische Bedeutung legte man in DOeutschland einem
Besuche des Königs von Italien mit seiner Gattin Anfang Juli 1915 in
Kiel bei. Der Minister di San Giuliano begleitete den König, der Reichs--
kanzler v. Bethmann Hollweg und der Staatssekretär v. Jagow den
Deutschen Kaiser. Deutscherseits hoffte man die bundesgenössischen Be-
ziehungen zu einer wirklichen Bundeögenossenschaft gemacht zu haben
und hat möglicherweise damals zu Kiel bei gegenseitiger Ubereinstimmung
über Schutz der neuen italienischen Mittelmeerinteressen von Dreibunde
wegen gesprochen. In jenem Sommer haben auch Berhandlungen
zwischen den Generalstäben der beiden Mächte stattgefunden, und die
Ansicht herrschte, man sei zu Bereinbarungen gelangt, die sich im Kriege
als sehr fruchtbar erweisen würden. Der Chef der italienischen Flotte,
der Herzog der Abruzzen, wohnte den deutschen Flottenmanövern bei,
die Generalstabschefs der italienischen und der österreichischen Armee den
deutschen Kaisermanövern. Kurz, es hatte eine militärische und militär-
politische Intimität Platz gegriffen, wie noch nie zuvor. Ein italienischer
General wurde zu einer Feier nach Wien entsandt. Dazwischen platzten
italienisch-österreichische Mißbelligkeiten in und um Triest und erinnerten
unangenehm an die rauhe Wirklichkeit.
Es ist heute schwer, nach den inzwischen mit Italien gemachten
Sraf Reventlow, Deutschlands auswärtige Polltik. 30