468 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914.
eines mit Osterreich-Ungarn und dem Deutschen Reiche politisch soli-
darischen Rumänien sich in der Bevölkerung durchsetzte, im Gegenteil.
Die zwischen den Zentralmächten und Rumänien bestehenden Bündnis-
verträge sind der rumänischen Bevölkerung unbekannt geblieben, nur die
jeweilig leitenden Minister baben um sie und ihren Inhalt gewußt. Das
Parlament hatte sie also nicht gebilligt. So konnten die Verträge nicht
im Sinne der Zentralmächte werbend wirken. Alles in allem ließ sich nicht
verkennen, daß seit dem zweiten Balkankriege Rumänien mehr nach der
Seite der Feinde Oeutschlands glitt. Die russischen sogenannten Probe--
mobilmachungen während der Balkankriege und die tatsächlich ungeheuren
russischen Rüstungen ließen es den Rumänen zweifelloser denn je scheinen,
daß sie auf seiten der Gegner Rußlands verloren sein würden.
In Petersburg bemühte man sich, neben der Einwirkung auf Rumä-
nien und im sicheren Besitze des beherrschenden Einflusses auf Serbien
auch die verlorene Zuneigung des mißhandelten Bulgariens wieder zu
gewinnen. Der Balkanbund sollte noch einmal unter russischer Vormund-
schaft zustande gebracht werden. In Bulgarien hatten sich aber die Stim-
mungen und mit ihnen die Verdbältnisse geändert. An die Stelle des
Rußland ergebenen Kabinettes war ein neues unter dem Vorsitze von
Radoslawowm gekommen. Dieses legte entscheidenden Wert auf gute
Beziehungen zu Österreich-Ungarn. König Ferdinand von Bulgarien
gewann bei längerem Aufenthalte in Österreich-Ungarn das völlige Ver-
trauen des Kaisers und Thronfolgers, und im Laufe der seit dem zweiten
Balkankriege verfließenden Monate festigten sich auch die Beziehungen
zwischen Bulgarien und dem ODeutschen Reiche zusehends. In der ersten
Hälfte des Jahres 1914 kam unter Bedingungen, die von beiden Ländern
als vorteilhaft empfunden wurden, eine deutsch-bulgarische Anleihe zu-
stande. Kurz, es kräftigte sich die Uberzeugung bei den Mittelmächten
wie in Bulgarien, man sei aufeinander angewiesen. So hatte sich Öster-
reich-Ungarns Bulgarenpolitik als richtig und weitblickend bewährt. Die
deutsche Rumänenpolitik von Bukarest hatte zwar ihr Ziel nicht erreicht,
wohl aber gedient und sollte noch dienen, um einen gewissen politischen
Ausgleich für die rumänisch-österreichisch-ungarischen Schärfen zu liefern,
einen Ausgleich auch auf dem Wege des Einflusses. Gegen das Deutsche
Reich bestand in Rumänien keine Abneigung, man wünschte im Gegen-
teil gute Beziehungen. So erwies sich die Meinungsverschiedenheit
zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich-Ungarn angesichts des
Vertrages von Bukarest als nützlich und fruchtbringend. Das galt auch
hinsichtlich Griechenlando. Im Herbst 1915 war König Konstantin in
Berlin und erklärte dort, er müsse laut und öffentlich aussprechen: „daß
unsere Siege nächst der unüberwindlichen Tapferkeit meiner Helden den