Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

470 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkrelsung. 1908—1914. 
  
hältnis in der Tat das einzige Mittel bilden konnte, um dem 
Deutschen Reiche den Besitz von Kiautschou zu sichern. Auch 
diese Ereignisse des Jahres 1915 bilden einen wichtigen Teil der Vor- 
geschichte zum großen Kriege. 
Oie Leiter des Dreiverbandes setzten mit Eifer alle Vorbereitungen 
umd Maßnahmen fort, um eine geschlossene politisch-militärische Einheit 
herzustellen. Im Spätherbst 1915 war der russische Ministerpräsident 
Kokowzow in Paris, um dort die abschließenden Besprechungen für die 
Verwirklichung der erwähnten großen Anleihe zu erledigen und die militä- 
rische Gegenleistung Rußlands sicherzustellen. Auch die 1912 russischer- 
seits geforderte militärische Leistung Frankreichs: die Einführung der 
dreijährigen Dienstzeit, wird dabei zur Erörterung gelangt sein. Es ist 
jetzt für den Rückschauenden von einem sonderbaren Znteresse, festzustellen, 
mit welcher Offenheit in der Presse des Dreiverbandes damals das Kom- 
men des großen Krieges besprochen wurde. Ein russischer Ministerbesuch 
wie der des Herrn Kokowzow in Paris gab zu öffentlichen Erörterungen 
Anlaß: die Zeiten seien vorbei, wo man an die unüberwindliche Stärke 
Deutschlands geglaubt habe. Frankreich ebenso wie Rußland hätten ihren 
Platz im Rate der Völker wieder voll eingenommen, und für einen Krieg 
mit ODeutschland lasse nur das russische Bahnnetz an der deutschen Ost- 
grenze zu wünschen übrig. Und in England setzte man wissenschaftlich 
auseinander, daß Deutschland von Jahr zu Zahr weniger in der Lage sei, 
an einen Erfolg seiner Waffen in einem Kriege gegen den Oreiverband 
zu hoffen. ODabei wurden die britisch-deutschen Verhandlungen mit un- 
entwegt wachsender Freundschaftlichkeit und mit immer fester werdendem 
Bertrauen seitens der deutschen Regierung fortgeführt. 
Auf seiner Rückreise von Paris nach Rußland verweilte Kokowzow 
in Berlin. Die Angelegenheit, welche ihn dorthin führte, war eine deutsch- 
kürkische Abmachung, daß eine deutsche Militärmission unter der Füh- 
rung des Generals Liman v. Sanders vorläufig für eine Zeit von fünf 
Zahren die Reorganisation des türkischen Heeres zu übernehmen habe. 
Liman sollte gleichzeitig die Führung des ersten türkischen Armeekorps zu 
Konstantinopel übernehmen. Bei seinem Berliner Besuche scheint Kokow- 
zow mit IJüußerungen über diese deutsch-türkische Abmachung zurück- 
gebhalten zu haben, ebenso Ssasonow. Ale der Ministerpräsident aber in 
Petersburg eingetroffen war, erhob sich der übliche Sturm der Entrüstung 
in der Presse des Oreiverbandes: Deutschland wolle sich durch seine 
Militärmission zum Herrn der Meerengen und Konstantinopels machen. 
Das könne der ODreiverband nicht dulden. Bor allem müsse die Bestim- 
mung der deutsch-türkischen Abmachung rückgängig gemacht werden, daß 
dem deutschen General als Führer des Konstantinopler Armeekorps eine
	        
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