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Oie Lücke in der Rüstung des. Oreibundes. 13
tische Frage, außerdem eine ganze Reihe kolonialer Differenzpunkte mit
Frankreich. Die Frage der Vorherrschaft im Mittelmeer ist brennend,
und die britische Regierung empfindet das Bedürfnis, Frankreich seine
Stellung in Tunis, die es britischer Erlaubnis verdankt, nach Möglichkeit
zu erschweren. Der leitende Staatsmann des Deutschen Reiches läßt
Ztalien neben dem vertraglichen Beistande alle Hilfe angedeihen, zu welcher
seine europäische Autorität ihn befähigt. Aichtsdestoweniger verfolgt er
seinen alten Grundsatz, kolonialen Bestrebungen Frankreichs freie Hand
zu lassen. Damit wird der französisch-italienische und französisch-eng-
lische Gegensatz in seiner Schärfe erhalten. Trotz des Fehlens deutscher
Seemacht liegen die Fäden auch der Mittelmeerfrage in der gewaltigen
Hand des Fürsten Bismarck.
Wie überall, so muß auch die Politik Ztaliens auf der geographischen
Gestaltung und der Machtfrage beruhen. Die italienische Halbinsel, die sich
lang und schmal mit ungeheurer Küstenentwicklung in das Mittelländische
Meer binein erstreckt, sieht sich von zwei großen Seemächten umgeben,
der englischen und der französischen. Großbritannien hatte damals kein
Znteresse an einem zur See besonders schwachen Italien, weil die bri-
tischen Staatsmänner der Ansicht waren, eine für England lästige Stärke
werde die italienische Flotte nie erreichen können. Wäre sie aber, an den
italienischen VBerhältnissen gemessen, möglichst stark, so könnte man darin
nur ein wünschenswertes Gegengewicht zur See gegen Frankreich er-
blicken. Diese Auffassung bestand so lange, wie der englisch-französische
Gegensatz, und umgekehrt die französische: daß Frankreich ein abhängiges
Ztalien gebrauche und eigentlich verlangen könne, weil das moderne
Ztalien seine Existenz Frankreich zu danken habe. Mit wie groben Mitteln
man arbeitete, zeigte 1888 das Wort des französischen Unterhändlers:
Ein neuer Handelsvertrag zwischen den beiden Mächten werde nicht zu-
stande kommen, solange Italien dem Dreibund angehöre.
Der Oreibund anderseits konnte, der Natur und den Mitteln der
beiden Kaiserreiche entsprechend, die Küsten, die Inseln und die über-
seeischen Interessengebiete Italiens im Mittelmeere nicht schützen. Deutsch--
land und ÖOsterreich-Ungarn konnten von der italienischen Politik nicht
verlangen, daß sie diese Blöße und diese gefährlichen Angriffeflächen
ignorierte. Italiens Forderung, daß der Dreibund es auch nach dieser Seite
hin sicherstellte, — sollte es selbst dem Dreibunde ein sicheres Glied bleiben
— dieses Verlangen war legitim. Es ging aus der Naturpflicht und dem
Naturrecht des Anspruches auf Schutz bervor. Der Oreibund selbst aber
verfügte über solche Mittel nicht, und deshalb griff Fürst Bismarck auf