Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Lacke in der Rüstung des Dreibundes. 17 
  
während im Kriege Frankreich dann dem Deutschen Reiche mit um so 
größerer Land- und Seemacht unmittelbar entgegentreten könnte. Schließ- 
lich wäre die politische Wirkung eines von Frankreich abhängigen und mit 
ihm eng verbundenen Italiens die Gefahr, daß Großbritannien sich ver- 
anlaßt sehen würde, ein Einverständnis zur See mit diesen beiden Mächten 
zu suchen. Dadurch aber würde wiederum die Stellung Großbritanniens 
zum Deutschen Reiche mit Notwendigkeit eine ungünstige, zumal im 
Hintergrunde einer solchen Kombination sich bereits der Schatten einer 
englisch-russischen Berständigung erhob. 
Zn Anbetracht nun der Tatsache, daß die italienischen Staatsmänner 
immer vor einer sehr schwierigen Aufgabe standen, auch eine starke fran- 
zosenfreundliche Strömung in Italien vorhanden war, wendete Biomarck 
seinen alten Grundsatz für Bündnisbeziehungen mit ganz besonderer 
Sorgfalt auf Italien an: es sollte sich im Dreibunde wohlfühlen und sollte 
die Erhöhung seiner Sicherheit und die Vorteile seiner Zugehörigkeit 
zum Oreibunde tatsächlich und ständig empfinden. Oie französische Politik 
hat unauphörlich versucht, stets mit großer Geschicklichkeit, die Gegenseite 
dieses Argumentes in der politischen Praxis zur Geltung zu bringen, näm- 
lich Ztalien durch Lockungen mit Vorteilen eine Zugehörigkeit zu Frank- 
reich vorteilhafter erscheinen zu lassen als die zum Oreibunde. Stete 
bildet ein französischer Appell an gewisse Seiten des italienischen Wesens 
und gewisse Teile des italienischen Bolkes wirksame Hebel, zumal wenn 
irgendein anderes Ereignie die erregbare Bevölkerung enttäuscht hatte, 
ein Ereignis sogar, das tatsächlich nicht mit der Zugehörigkeit Italiens 
zum Oreibunde in ursächlicher Beziehung stand, sondern nur sich begab, 
während Ztalien zum Dreibunde gehörte. Ein einziger militärischer Miß- 
erfolg von einer an sich geringen Bedeutung, der dem italienischen General 
Baratieri in Afrika zustieß, warf mit einem Schlage die Crispische Politik 
über den Haufen und öffnete die Ohren der Italiener den unrichtigsten 
Erzählungen und phantastischen Darstellungen über die angeblich unheil- 
vollen Folgen seiner Dreibundszugehörigkeit. Wenn man von Ztalien 
spricht, und sagt: Ztalien vertritt diese oder jene Politik, — so ist dieses 
Italien, wie übrigens in manchen anderen Ländern auch, bäufig ein 
einziger Mann, der möglicherweise morgen nicht mehr da ist, weil eine 
auch zeitlich unberechenbare Volksstimmung ihn trägt und fallen läßt. Es 
heißt — nach französischen und österreichischen Quellen —, daß beim Ab- 
schlusse des Dreibundes sich die Monarchen verpflichtet haben, insbe- 
sondere auch der König von Ztalien, gegebenenfalls persönlich mit allen 
Kräften auf die Beibebaltung oder Wiedererneuerung des Bündnisses zu 
wirken. Damit wollte man ein stabiles Element in der Flucht der parlamen- 
tarischen Erscheinungen schaffen und hat das verhältniomäßig ohne Zweifel 
Graf Reventlow, Heutschlands auswärtige Polltlk. 2
	        
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