Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

32 1. Abschnitt. Bon Rußland zu Großbritannien. 1887 — 1894. 
die Mitte der achtziger Jahre erfolgreich seinen Einfluß aufgeboten, um 
Rußland in der Verwaltung der ägpptischen Schulden Platz und Stimme 
zu besorgen, de Freycinet benutzte die bulgarische Krisis, um Rußland 
diplomatische Dienste zu erweisen. 
Schließlich kam ein wichtiger und einflußreicher Helfer noch von 
einer dritten Seite: der Papst ließ seinen Staatesekretär, den Kardinal 
Rampolla, eine Vatikanpolitik machen mit dem Endzwecke, durch An- 
näherung an Frankreich Rom wiederum in den Besitz des Papstes zu 
bringen. Wie verfehlt diese vatikanische Politik in sich auch war, sie stützte 
sich auf das schlechte französisch-italienische Berhältnis und leistete Frank- 
reich erhebliche Dienste durch die Anerkennung, welche der Papst damit 
der neuen Republik, als der am meisten geliebten Tochter der Kirche, 
zuteil werden ließ. Der Kardinal Lavigerie wählte zu seiner Tafelmusik 
die Marseillaise. Crispi hatte schon 1889 im Parlamente ausgerufen: 
„Unser Feind ist nicht Osterreich, sondern der Vatikan.“ Der Politik des 
Papstes, die zum Bruch treiben wollte und die stärksten Mittel, darunter 
das zeitweilige Verlassen Roms, androhte, erwiderte Crispi durch den 
Kardinal Hohenlohe" Rom könne ja der Papst verlassen, wenn er durch- 
aus wolle, aber er möge sich vorher klarmachen, daß weder er noch einer 
seiner Nachfolger dann jemals nach Rom zurückkehren und daß die katho- 
lische Kirche unsäglichen Schaden davon haben werde. 
Frankreich nahm dieses vatikanische Entgegenkommen freundlich auf 
und verwandte es nutzbringend. Es war von ernster politischer Bedeutung, 
als der Papst die französischen Katholiken ausdrücklich anwies, nunmehr 
auch der Republik als der ihr von Gott gesetzten Obrigkeit zu gehorchen. 
Zwischen Frankreich und Italien war die Erbitterung, verschärft 
durch den Zollkrieg, hoch gestiegen. Als 1891 der Dreibund auf weitere 
sechs Jahre erneuert worden war und vom Ministerpräsidenten Rudini 
im Parlament besprochen wurde, konnte dieser hinzusetzen: über den 
Status duo im Mittelmeere wäre seinerzeit mit bestem Erfolge mit Eng- 
land verhandelt worden. Das gleiche wurde aus England bestätigt, da- 
gegen legte die britische Regierung Wert auf die Erklärung, daß sie keine 
förmlichen Dreibundsverpflichtungen eingegangen sei, auch keinen mit 
der Dreibundspolitik verbundenen Schritt getan habe. Der Unterstaate- 
sekretär Fergusson erklärte sogar: in einem deutsch-französischen Kriege 
würden in erster Linie Englands nationale Interessen zu Rate gezogen 
werden. Den ZBtalienern war diese englische Stellungnahme nicht über- 
raschend, noch beunrubigend, zumal sie wußten, daß im Mittelländischen 
Meere Italiens und Großbritanniens Znteressen teils einander deckten, 
teils gleichlaufend waren. 
Einen anderen, weniger günstigen Eindruck mußten die Erklärungen
	        
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