Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

VBer Helgoland- und Sanjibardandei. 45 
  
  
würde unmittelbar in den Besitz des Feindes übergehen und ihm als 
Basis dienen. Das bedeutete einen unangenehmen Punkt, denn die Kosten- 
frage war für die Marine jener Zeit nicht nur eine heikle, sondern man konnte 
sie nur mit einem hohen Grade von Hoffnungslosigkeit betrachten. Hier 
mögen denn auch gewisse Bedenken bei den leitenden Seeoffizieren sich 
erhoben haben, als die Insel Helgoland deutsch wurde. Biel Geld auf sie 
zu verwenden, wäre nur auf Kosten dringender Bedürfnisse der schwim- 
menden Flotte möglich gewesen, man mußte Helgoland also vorläufig 
als schwache Stelle — neben vielen anderen — in den Kauf nehmen. Be- 
kanntlich beschränkte man sich darauf, die Insel nach Kräften gegen einen 
Handstreich zu schützen, ein Schutz freilich, der keineswegs genügte und 
der die Gefahr, die aus dem deutsch gewordenen Helgoland erwuche, nicht 
beseitigen, sondern eigentlich nur vermehren konnte. 
Das Urteil des Fürsten Bismarck ist bekannt und viel erörtert worden. 
Der Vollständigkeit halber mag es aber auch in diesem Zusammenhange 
Platz finden: 
„Im Hinblick auf eine voraussichtlich französische Blockade war bisher 
die Deckung Helgolands durch die englische Neutralität für uns nützlich; 
ein französisches Geschwader konnte daselbst kein Kohlendepot haben, 
sondern war genötigt, zur Beschaffung des Kohlenbedarfs in bestimmten 
nicht zu langen Zeiträumen nach den französischen Häfen zurückzukehren 
oder eine große Anzahl von Frachtschiffen hin- und bergehen zu lassen. 
Jetzt phaben wir den Felsen mit eigener Kraft zu verteidigen, wenn wir 
verhindern wollen, daß die Franzosen im Falle des Krieges sich daselbst 
festsetzen.“ (Gedanken und Erinnerungen II.) 
1891 hat Bismarck an Busch gesagt, der Wert der Insel läge mehr 
in der Phantasie, und sie sei für uns im Kriege besser in den Händen einer 
neutralen Macht, lasse sich auch nur schwer befestigen und nur mit großen 
Kosten. Auch in anderer Verbindung hat der große Kanzler betont: die 
Insel müßte sehr stark befestigt werden, sollte sie Nutzen für uns haben. 
Daß das Bismarcksche Urteil in seinem Hauptpunkte nicht nur längst 
überholt ist, sondern tatsächlich auch damals schon unrichtig war, braucht 
kaum bewiesen zu werden. Niemand hat nachdrücklicher als Bismarck 
auch noch in den letzten Jahren seines Lebens betont und gelehrt, daß man 
keine politische Gruppierung, kein Bündnis als Dauerzustand betrachten 
dürfe, das Element der internationalen Politik sei ein flüssiges und kehre 
trotz aller Bindungen von Zeit zu Zeit immer wieder in diesen, den na- 
türlichen Aggregatzustand, zurück. Schon unter diesem richtigen Gesichts- 
punkte betrachtet, war es grundsätzlich falsch, den Wert oder Unwert der 
Insel Helgoland nur unter der Voraussetzung einzuschätzen, daß die vor- 
malige Besitzerin, Großbritannien, in einem deutsch-französisch-russischen
	        
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