52 1. Abschnitt. Bon Rußland zu Großbritannien. 1887—1894.
starke deutsche Flotte hinausgingen. Im Augenblicke wäre die Möglich-
keit eines Erwerbs der Insel für das Deutsche Reich unwiederbringlich dahin
gewesen und damit die Zukunft der deutschen Seemacht im Keime verkrüp-
pelt worden.
Am Ende der Amtsführung Caprivis.
In die Beziehungen Oeutschlands zu England begannen sich einige
leise Mißtöne einzuschleichen. Der deutsch-französische Kamerunvertrag
hatte in England Unzufriedenheit erregt, weil durch ihn Frankreich bis
an den Scharifluß herangekommen war.
Im Winter 1893 war ein Abkommen mit England über die West-
grenze des Hinterlandes von Kamerun geschlossen worden, die Frage der
Ostgrenze blieb mit Frankreich zu regeln. Die französische Regierung
hatte damals schon weitausschauende Pläne in Erwägung. Oer Ge-
danke eines großen einheitlichen französischen Reiches in Afrika stand den
Staatsmännern vor Augen. Mit Eifer, mit Geschicklichkeit und Energie
nahm man die Frage in die Hand, während auf deutscher Seite wohl
weniger Eifer vorhanden war, zumal aber große und feste Gesichtspunkte
für die Richtung einer zukünftigen deutschen Expansion in Afrika fehlten.
Wir brauchen uns nicht mehr in eine Kritik jenes Abkommens einzu-
lassen, aber es kann kaum ein Zweifel obwalten, daß es heute in Deutsch-
land eine Unmöglichkeit wäre, ein solches Abkommen einzugehen. Oie
Pariser Presse war voll Triumph darüber und verzeichnete es als den
„ersten Sieg über Deutschland“. Die Kehrseite aber war, wie gesagt, der
Unwille Englands, denn gerade dasjenige Gebiet, welches man im deutsch-
englischen Vertrage vom November 1893 Deutschland gelassen hatte,
damit die Franzosen es nicht nähmen, wurde nun an Frankreich abge-
treten. Zwischen Frankreich und England bahnten sich damals scharfe
Gegensätze in Afrika an, und es konnte Frankreich nur erwünscht sein,
bei dieser Gelegenheit das Deutsche Reich England gegenüber als Kulisse
vorzuschieben. So betonte man im französischen Senat die Gemein-
samkeit der deutsch-französischen Kolonialinteressen.
Im selben Zahre vereinbarte England mit dem Kongostaate einen
Vertragsentwurf, welcher den Engländern den Landstreifen zwischen dem
Albert-Eduardsee und dem Tanganjikasee in Pacht gab. Es war dieses
ein Akt der Rücksichtslosigkeit gegen Deutschland sowohl wie gegen Frank-
reich, außerdem stand der Bertrag als solcher dem Kongovertrage von
1884 entgegen, denn dieser verbot dem Kongostaate, auf eigene Hand
Grenzänderungen vorzunehmen. Deutschland und Frankreich erhoben
sofort Protest gegen jenen Pachtvertrag, welcher daraufhin denn auch
aufgeboben wurde.