seinen persönlichen Einfluß mit Erfolg benutzen konnte, um folgenschwere
Unklugheiten zu vermeiden: würde Preußen bzw. würden die deutschen
Staaten als kämpfende Bundesgenossen Österreichs geschlagen, so stand in
Zukunft Deutschland zwischen zwei feindlichen Großmächten: Frankreich
auf der einen, Rußland auf der anderen Seite. Siege man aber mit Öster-
reich, so würde die preußische Abhängigkeit von Österreich nachher um so
größer sein. Bismarck sprach nur von Preußen, natürlich, aber von dem Ver-
halten Preußens hing in damaliger Zeit das Verhalten der kleineren deut-
schen Staaten ab. Um kurz die Lage zu kennzeichnen: Preußen schickte
Truppen an den Rhein in Bereitschaft, blieb aber neutral und handelte selb-
ständig und unabhängig von Österreich. Dem Kaiserstaat aber fuhr diese
preußische Selbständigkeit derartig in die Glieder, daß er Frieden schloß,
auf die Lombardei verzichtete: daß Preußen die Vormacht Deutschlands
würde, erschien dem Habsburger Haus als eine vitale Gefahr; der Verzicht
auf die Lombardei wog nicht annähernd so schwer. Aber diese Erkenntnis
blieb in der Hauptsache auf Preußen beschränkt und in Preußen auf Bis-
marck und einige wenige. Deutschland, im ganzen genommen, rief nach
Hilfe für Österreich, in idealistischem deutschem Gemeinschaftsgefühl.
Dieses selbe Gefühl aber äußerte sich auch laut und deutlich in den zahl-
reichen Stimmen, die für den Fall militärischen Beistandes forderten, daß
Preußen den Oberbefehl haben, außerdem auf dem Boden einer Reform des
Frankfurter Bundes fortan auf gleichem Fuß wie Österreich in Deutschland
dastehen sollte, also jener friedlich-freundliche Dualismus, den man schon
zur Zeit der Befreiungskriege gewünscht hatte, den Friedrich Wilhelm II.
als Vermächtnis seinem Sohn hinterlassen hatte: Preußen niemals unter
Österreich, aber immer mit Österreich! Auch die Frankfurter National-
versammlung hatte so gesprochen mit großen schönen Worten und erhielt
dafür von Habsburg schnödeste Ablehnung.
Im Jahre 1858 hatte sich aus einigen kleinen vereinsähnlichen Gruppen in
Gotha eine Anzahl, zum größten Teil liberaler, Politiker und Wirtschafter
zu einem politischen Verein zusammengeschlossen, die den Plan ankün-
deten: ‚Ohne nachweisbare, greifbare Organisation eine Verbrüderung
Gleichgesinnter zu stiften, die sich womöglich über ganz Deutschland aus-
breite und überall durch Wort und Schrift und jedes sonstige ehrenhafte
Mittel einflußübend auf die Einheit Deutschlands hinarbeite und für Preu-
Ben Propaganda mache.“
In einem früheren Abschnitt wurde erwähnt, wie besonders immer die
Wirtschaft auf Einung und Vereinigung Deutschlands drängte. Auch die
patriotischen Wünsche und Erwägungen des neuen Vereins schwebtennicht
in der Luft, sondern hatten einen sehr starken, nüchternen wirtschaftlichen
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