Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Einschlag. Man begann darüber hinaus zu begreifen, daß weitere Entwick- 
lung des in Preußen zentralisierten Zollvereins mit allem, was dazugehörte, 
auch die politische Führung Preußens in Deutschland zur Voraussetzung 
hatte. 
Das Wort des Prinzregenten Wilhelm von den ‚moralischen Erobe- 
rungen“, die Preußen in Deutschland machen müsse, wurde im liberalen und 
demokratischen Deutschland beinahe mit Begeisterung aufgenommen.Nicht 
minder die Andeutung auf die neue preußische Verfassnng. 
In solche vorbereitenden Bemühungen dieser echt nationalliberalen Kreise, 
unter denen sich schnell der Hannoveraner Rudolf von Bennigsen als Mittel- 
punkt und Führer entwickelte, kam der Französisch-Österreichische Krieg. 
Nach der Niederlage der Österreicher schrieb Bennigsen in einem Brief: 
‚Wenn unsere deutschen Fürsten noch so verblendet sind, bei einer Ge- 
fahr, welche die Existenz von Deutschland bedroht, das Interesse ihrer 
Sondersouveränitäten und den Argwohn gegen Preußen über alles zu setzen, 
wenn sie Preußens einfache militärische und diplomatische Leitung, welche 
absolut nötig ist für den Krieg, verhindern, so mögen sie selbst sehen, was 
das Ende ist. Gewiß aber nicht die Befestigung ihrer Herrschaft, welche bei 
uns (in Hannover) bis in die höchsten Kreise unterhöhlt ist.‘ Man verlangte 
anstatt des jetzt geltenden Bundestages eine tatsächliche Zentralregierung. 
Preußen sollte die Anregung geben auch zur Einberufung einer National- 
versammlung. In einer Erklärung wurde gesagt: 
Eine der beiden großen deutschen Regierungen müsse die Reform der 
Bundesverfassung ausführen. Österreich könne das nicht, seine Interessen 
seien keine rein deutschen, könnten es auch nicht werden. 
„Unsere Hoffnung richten wir daher auf Preußens Regierung, die durch 
den im vorigen Jahre aus freiem Umtriebe eingeführten Systemwechsel (die 
Verfassung) ihrem Volk und ganz Deutschland gezeigt hat, ihre Interessen 
und die ihres Landes in Übereinstimmung zu bringen, und für einen solchen 
Zweck Opfer an ihrer Machtvollkommenheit sowie die Vertretung neuer 
schwieriger Bahnen nicht scheut.‘“ — Die Ziele preußischer Politik fielen mit 
den Interessen Deutschlands ungefähr zusammen. Verfolgung angeblichrein 
preußischer Großmachtszwecke könne jedoch nur zu Preußens Ruin führen. 
Dieser Satz erklärt sich aus dem großen Mißtrauen, das beinahe überall in 
Deutschland gegen die preußische Politik (also schon vor Bismarcks Mini- 
sterpräsidentenschaft) gehegt wurde. Die Erklärung schloß: 
„Möge daher Preußen nicht länger zögern, möge es offen an den patrio- 
tischen Sinn der Regierungen und den nationalen Geist des Volkes sich 
wenden und schon in nächster Zeit Schritte tun, welche die Einberufung 
eines deutschen Parlaments und die mehr einheitliche Organisation der 
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