tischen Mehrheit des Landtags, ergaben, Mai 1862, einen gewaltigen Siegder
Demokraten, die sich Fortschrittspartei nannten. Der Nationalverein war
davon beglückt und glaubte dem großen deutschen Ziele damit einen großen
Schritt nähergekommen zu sein. Man rechnete nach parlamentarischer Logik,
diese demokratische Mehrheit werde nunmehr in Preußen auch die Regierung
stellen und so den gesamten politischen Kurs außen und innen bestimmen.
König Wilhelm dagegen bestand auf seiner Armeereform. Das sind be-
kannte geschichtliche Tatsachen. Im Zusammenhange unserer Gedanken-
gänge ist aber dieses Moment besonders hervorzuheben: Bennigsen und die
Seinen wollten für das noch in der Luft schwebende geeinte Deutschland
und das noch höher in der Luft schwebende, dann zu schaffende deutsche
Reichsheer eine starke Macht. Sie fanden aber nicht alserforderlich, daß eine
starke Militärmacht Preußen da sei, sondern waren durchaus dagegen. Die
deutsche Einigung müsse auf dem Weg des liberalen Verfassungsgedankens
allein erreicht werden. Ein Großpreußen erschien als die schlimmste Gefahr
von allem und als das Ende aller nationaldeutschen Bestrebungen. Eben dies
befürchtete man aber von einem Kabinett Bismarck schon Monate, bevor es
zustande gekommen war. Bismarck wolle eine Gleichstellung Preußens mit
Österreich im Deutschen Bunde und ein ‚„preußisch-kleindeutsches Parla-
ment‘. Bennigsen schrieb zu diesen Gerüchten an einen Freund: ‚Leider
kann ich Ihnen von dem über Bismarck Mitgeteilten nichts sagen, da ich
diese Eventualität seit längerer Zeit auf verschiedene Mitteilungen hin er-
wartete und mit ihr allerdings eine sehr gefährliche preußische partikula-
ristische Politik, ein recht miserables Epigonentum des Alten Fritz.‘
Im preußischen Parlament, so verlangte Bennigsen, müßten die Liberalen
fordern: Preußen müsse mit positiven Vorschlägen den übrigen Regierungen
gegenübertreten, ‚‚die die Nation wahrhaft befriedigen und der Stellung und
Bedeutung Preußens entsprechen“
Der Kampf um Sein und Nichtsein, der mit dem Kabinett Bismarck
zwischen Königtum und Parlament begann, zerstörte die Hoffnungen des
Nationalvereins. Er bekämpfte das Regime Bismarck mit allen seinen Mit-
teln, die allerdings nicht groß waren, trug jedoch nicht wenig bei, den Haß
gegen Bismarck und seinen Kurs in ganz Deutschland zu entflammen und
dem großen, verkannten Manne seinen schwierigen Kampf noch mehr zu er-
schweren. In Bismarck erblickte.man den hochmütigen, rücksichtslosen
Junker und bornierten Preußen, der den deutschen Gedanken verachte und
innerhalb Deutschlands durch Krieg ein Großpreußen herstellen wolle. Auch
aus diesen Auffassungen heraus ist, zu einem Teil wenigstens, der wütende
Widerstand gegen die große Militärreform zu verstehen und jener Ausspruch
der Opposition, man müsse Preußen den Großmachtkitzel austreiben. Die
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