während der Konfliktszeit wachsende Schroffheit der Stellung Bennigsens
gegen Bismarck ist auch auf seine Befürchtung zurückzuführen, daß die Un-
abhängigkeit seiner Heimat Hannover bedroht werde. Entscheidend für die
Stellungnahme des Nationalvereins war die von Verzweiflung erfüllte Auf-
fassung : siege Bismarck im preußischen Konflikt, so würde es nie zur deut-
schen Einheit kommen, sondern zu einer preußischen Tyrannenherrschaft
und dem Abfall der süddeutschen Staaten vom Einheitsgedanken.
Bismarck konnte sein kompliziertes Spiel, besonders auch Österreich
gegenüber, niemandem offenbaren, wußte er manchmal doch selbst nicht,
zu welchem neuen Schachzug er morgen gezwungen sein werde, der ihm am
Tage vorher unnötig oder unmöglich erschienen war. Seines großen Ziels
war er sich immer in aller Klarheit sicher. Welche Mittel und Wege er je-
weilig brauchte, das ließ er in entscheidenden Augenblicken durch die Lage
und sein eigenes geniales Erfassen bestimmen. Verkannt wurde er von allen
Seiten. Auch seinen verehrten Herrn konnte er nicht über seine letzten Ziele
unterrichten ; dieser war groß genug, um Bismarck gleichwohl sein Vertrauen
unverbrüchlich zu erhalten. Jene Zeit der sechziger Jahre stellt wohl den
glänzenden geschichtlichen Beweis des Wortes dar, daß der Starke am mäch-
tigsten allein ist; freilich nur der wirklich Starke, denn andere vermögen die
ungeheure Last allein nicht zu tragen.
So haben wir also keinen Anlaß, heute auf diejenigen herabzublicken, zu
denen ja auch Treitschke gehört hat, die damals Bismarcks Spiel nicht zu
durchschauen vermochten und deshalb seine Gegner waren. Auch er selbst
hat das verstanden und in jener späteren Äußerung in großartiger Sachlich-
keit anerkannt.
Auf dem Höhepunkt des preußischen Konflikts — als Bismarck durch
seine „Presseordonnanzen‘ der preußischen Presse Fesseln anlegte und der
Kronprinz in der berühmten Danziger Angelegenheit sich öffentlich von dem
Regime Bismarck lossagte —, wendete sich der ganze Nationalverein gegen
Bismarck, auch Treitschke. Sein Gesinnungsfreund schrieb an Bennigsen :
„Wir werden der Regierung Schritt für Schritt mit allen Mitteln, die wir
haben, entgegentreten, und wir wissen, daß wir siegen, und daß unsere
Gegner planlos und ziellos sich hinfristen !“‘ Andere waren im Gegensatz zu
dieser Siegeszuversicht in voller Verzweiflung, denn durch Bismarcks Re-
gierung schien nun ein Hauptpunkt ihres Programms vernichtet zu werden:
daß Preußen die Führung zur Bildung des geeinten Deutschlands zu nehmen
habe. Wie könnte man unter diesen Umständen noch Preußen als den Retter
bezeichnen ?
Zum Frankfurter Fürstentag, der über eine Reform des Deutschen Bundes
zu sprechen hatte, war König Wilhelm nicht erschienen. Mit äußerster An-
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