Full text: Von Potsdam nach Doorn.

VIERTER ABSCHNITT 
Das Bismarck-Reich 
Von der Reichsverfassung, den Bundesfürsten 
und Bundesstaaten 
Die Nummer des ‚„Kladderadatsch‘ vom 16. Dezember 1866 zeigt das 
folgende Bild: Bismarck hat sich vor den Siegeswagen gespannt, der nach 
Königgrätz führt, und zieht ihn allein mit übermenschlicher Kraft vorwärts. 
In das Seil haben sich die Konservativen eingehängt, um den Wagen zum 
Stehen zu bringen. Bismarck aber reißt sie alle mit dem Wagen zur Höhe. 
Das Bild ist eine Ironisierung der Worte des Innenministers Grafen von 
Eulenburg: ‚,... undin diesem Sinnesind auch wir mit dem Grafen Bismarck 
einig und haben mit ihm denselben Strang gezogen!“ 
Das Bild sollte bedeuten, daß Bismarck in seinem Kampf um seine Innen- 
und Außenpolitik nicht einmal die Minister seines Kabinetts als aktive 
Helfer gehabt, sondern sie durch seine eigene ungeheure Kraft einfach mit 
sich gerissen habe. Es waren aber nicht allein seine Mitminister, sondern es. 
waren: die Konservative Partei; es waren die: Liberalen — bis sie endlich 
Bismarcks Weg, kurz vor dem großen Erfolge, begriffen hatten. Es waren 
auch jene Elemente, die kurz nach Königgrätz und Nikolsburg sich zum 
„Zentrum“ zusammengefunden hatten. Es waren die deutschen Fürsten 
ebenfalls gewesen, von denen denn auch mit 1866 Hannover, Schleswig- 
Holstein, Kurhessrn, Nassau ihrer politischen Kurzsichtigkeit, ihrem Willen 
gegen das Reich zum Opfer fielen. 
Königgrätz und Nikolsburg, im Anschluß daran die Bildung des Nord- 
deutschen Bundes, die Einführung des allgemeinen Stimmrechts, ließen 
niemanden im Zweifel, daß Bismarcks alleiniges Ziel die Einigung war. Daß 
es ihm dann gelang, und zwar in wenigen Jahren, mit den süddeutschen 
Staaten in solche Beziehungen zu kommen und solche Geheimverträge zu 
schließen, daß sie sich 1870 ohne weiteres unter die Führung König Wilhelms 
und Bismarcks für den Krieg stellten, zeigte nicht allein wieder Bismarcks 
diplomatische Meisterschaft, sondern auch eine politische Einsicht auf seiten 
der süddeutschen Staaten, die damals überraschen mußte. Freilich war es 
auch die Furcht vor Frankreich in Gestalt Napoleons des Dritten; der aber- 
gläubischen Scheu vor diesem Manne hat erst Königgrätz den ersten Stoß 
gegeben. Als es dann: Rache für Sadowa hieß, wuchs von Jahr zu Jahr die 
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