mungen bei den Sitzungen. Preußen besaß so viele, daß sein Übergewicht ge-
sichert war. Der Reichskanzler war zugleich der Vorsitzende des Bundesrats.
Beiläufig kann bemerkt werden, daß gerade der Bundesrat sich immer in
hohem Grade bewährt hat als Bindemittel für die Einheit des Reiches und
für die Verständigung der Bundesstaaten untereinander mit dem Reich.
Man sieht, daß die Bundesstaaten die wichtigsten und die schwerstwiegen-
den ihrer Souveränitätsrechte an das Reich, an den Deutschen Kaiser, der
König von Preußen war, haben abgeben müssen. Die Fürsten hatten alle be-
griffen, daß dies eine Notwendigkeit sei, um der einheitlichen Reichsführung
willen ; aber der Verzicht war ein großer und entscheidender, ein Opfer eben
für das Reich und nicht das einzige. Um einige weitere aufzuzählen: dem
Reich unterlagen die Zoll- und Handelsgesetzgebung, dieOrdnung des Maß-,
Münz- und Gewichtssystems, die Finanzgesetzgebung, die Schiffahrt, das
Post- und Telegraphenwesen, die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Rechts;
das Militärwesen des Reichs, die Kriegsmarine usw.
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Die Fürsten der Bundesstaaten und ihre Regierungen hatten im Winter
1870/71 in den Verhandlungen mit Bismarck zu Versailles bald die Not-
wendigkeit ihrer Verzichte begriffen und ihnen zugestimmt. Ja wir sahen,
daß sie ursprünglich geglaubt hatten, man werde sie zu mehr und größeren
Verzichten zwingen. Bismarck tat dies nicht. Er gab dem Kronprinzen zu,
daß er von den Bundesstaaten viel mehr hätte erreichen können. Es sei ihm
aber darum zu tun gewesen, daß sie nicht einem Zwange wichen, denn ihm
sei darum zu tun gewesen, daß sie sich in dem künftigen Bunde wohlfühlen
sollten.
Dieses weise staatsmännische Verfahren hatin den dann folgenden beiden
Jahrzehnten reiche Früchte getragen. Bismarck war den Bundesstaaten der
Garant dafür, daß die ihnen verbliebenen Rechte unverbrüchlich gesichert
blieben, daß das föderative Verhältnis unter allen Umständen beibehalten
und geachtet werde. Die Furcht der Bundesstaaten war, daß eines Tages das
übermächtige Preußen die bundesfürstlichen Rechte noch mehr mindern, ja
die Bundesfürsten mit ihren Verfassungen verschwinden lassen und damit
den gefürchteten ‚„Unitarismus“, also ein Deutsches Reich ohne Bundes-
fürsten, unter rein preußischer Führung herstellen werde.
Bismarck hat, in voller Übereinstimmung mit dem alten Kaiser, diesen
Punkt mit besonderer Sorgfalt beachtet und äußerste Schonung bundes-
staatlicher und bundesfürstlicher Empfindlichkeiten walten lassen. In
seinem Herzen wird er kaum großen Respekt für diese Dinge empfunden
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