Object: Von Potsdam nach Doorn.

mit ihren Arbeitnehmern zu machen, was sie wollten. Es war in ganz 
Europa so. 
Die liberale Wirtschaft ging ihrem Höhepunkt entgegen. „Bildung und 
Besitz‘‘ war das Schlagwort jener Zeit, und man fand es billiger, die Arbeit- 
nehmer mit Bildung zu füttern, als ihnen ihre Besitzlosigkeit auch nur er- 
träglich zu machen. Zu den Charakteristiken des Zeitalters gehörte jene tiefe 
Geringschätzung des Menschen, der keinen eigenen Besitz hatte. Geachtet 
wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, der Eigentümer eines handwerklichen 
Betriebes mit eigener Werkstatt. Hatte ihn aber die Fabrik mit ihrer Dampf- 
maschine entwurzelt, so war er zum ‚Proletarier‘‘ geworden und damit zu 
einem Teil der großen, grauen, gleichförmigen Masse; der Bürger wendete 
sich stolz von ihm ab: Der andere hatte ja keinen Besitz mehr, er war 
dienende Klasse geworden, niemand schützte ihn, niemand trat für ihn 
ein, jeder nutzte ihn aus. 
in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hat es nicht wenig 
Arbeiterstimmen gegeben, die nach staatlichem Schutz riefen. Naive ideali- 
stische Wortführer hielten Reden, schrieben Bücher, wurden als Aufrührer 
oder.als gefährlich aus ihrem Heimatstaat ausgewiesen, um schließlich in der 
Schweiz, in Frankreich, England oder Amerika zu enden. Die Schicksale 
dieser weltfremden Unerfahrenen interessieren in diesem Zusammenhang 
nicht, es kommt hier nur darauf an: sie hatten das richtige Gefühl: der 
Landesfürst, der Staat müsse sie schützen und ihre Interessen wahrnehmen. 
Noch heute fallen bisweilen Äußerungen eines mißfälligen Erstaunens, daß 
der deutsche Arbeiter sich von der Lehre des Juden Marx blindlings habe 
umgarnen lassen. Im Grunde genommen ist nichts Erstaunliches dabei. Sie, 
die Arbeiter, waren doch im Sinne desWortes ‚‚verraten und verkauft‘ dem, 
der Besitz und Geld hatte, preisgegeben mit seiner ganzen l.xistenz, nie- 
mand half ihm. Da kamen Marx und die anderen revolutionären Vertreter 
des Kommunismus, vielfach vorgebildet in Paris und in Großbritannien, und 
sagten dem deutschen Arbeiter: von eurem Fürsten, eurer Staatsregierung 
habt ihr nichts zu erwarten, von der besitzenden Bürgerklasse, vollends vom. 
Feudalismus bekommt ihr Fußtritte, aber keine Hilfe, für diese Klassen seid 
ihr nur Werkzeuge zur eigenen Bereicherung, der nationale Staat ist euer 
allerschlimmster Feind. Helfen kann euch nur der internationale Zusammen- 
schluß des Weltproletariats. Dieses muß sich über die Ländergrenzen die 
Hände reichen und alle bestehenden Gewalten beseitigen auf dem Wege des 
Umsturzes. Dann kommt schließlich der große, klassenlose Weltstaat unter 
der Diktatur des Proletariats. Es gibt dann keine Kriege mehr, keine Könige 
und Fürsten, keine Steuern, keine Reichen, keine Armen mehr, alle sind 
gleich, frei und zufrieden. Aber was jetzt besteht, muß mit allen Mitteln der 
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