oder dringen in die Risse eines Felsens, als ob sie
fürchteten, man könnte ihnen das bißchen Leben
mißgönnen. Und nur hier und da steht eine Zwerg-
kiefer, ein Krüppel, wie es schon ihr Name sagt,
unscheinbar, düsier, vom Unwetier zerzaust, ein Bild
des Kampfes ums Dasein und der Armut!
Welch bunter Wechsel dagegen im tropischen
Bergwald! Hier ist kaum ein Unterschied zwischen
dem Wald im Tal und dem auf den höchsten Berg-
rücken zu bemerken. Die tausend Pflanzenformen,
welche ein tropischer Wald aufweist, wuchern allent-
alben üppig in beftändiger junger Farbenfülle. Je
höher man hinaufkommt, desto mehr verschwindet das
undurchdringliche Unterholz, und wird das Wandern
trotz des allenthalben zutage tretenden Wurzelwerkes
und der Unebenheit des Bodens desto angenehmer.
Am tropischen Urwald ist nichts Erkünsteltes,
nichts Schablonenhaftes, aber sein Durchelnander in
üppiger Fülle, alle Räume ausfüllend, nirgends
ücken lassend, wirkt um so reizender. Die ver-
schiedenen Höhen der Bäume, die verschiedene Ge-
staltung der Krone und des Blattwerkes, die ver-
schiedene Farbe der Stämme fesseln das Auge und
ermüden es nicht. In der Ebene, in den Flußtälern
und auf den Vorbergen ist der Wald natürlich
üppiger. Das dichte Unterholz und Buschwerk mit
eem Heere von Lianen sind hier: charakteristisch.
Man sucht vergebens nach einem freien Plätzchen
am Boden. Aus der Lage von toten Blättern, in
welche der Fuß versinkt, über dem morschen Gerippe
eines Baumriesen, den der Sturm, gestürzt hat,
sproßt neues Leben, Blattpflanzen in allen Farben,
Alien, großblättrige Aroideen, Stechpalmen, Ruten-
palmen, wilde Kokos= und Arekapalmen und die
prächtige, tiefdunkle Cykas mit ihren feingespaltenen
Blättern stehen vereinzelt in Gruppen und bringen
Abwechslung und Leben in die Waldlandschaft. Die
zarte Farrenpalme wagt sich selten in den Wald der
- wo sie ihre Wedel nicht zur Schau tragen
Ennte. Sie hängt vereinzelt an den Flußufern im
Uchatten eines Baumriesen, umgeben von Orchideen.
ohn besten scheint es ihr auf den höchsten Gipfeln
über in schroffen Bergschluchten zu gefallen, wo tags-
S 8 häufig Wolken lagern und zahlreiche Nieder-
lige erfolgen. Ihr Stamm ist unscheinbar, schwarz
W hekuhfaserig, um so graziöser aber find ihre
ei el. Wer vermag erst die Unzahl Schling-
emanzen, die am Boden kriechen oder an den Bäumen
“7r zu nennen? Kein Pinsel ist imstande,
gehe ein malerisch verschlungenes Schlingpflanzen-
tellice mit seinen fein geschnittenen, harmonisch ver-
wie ni Fiederblättern auch nur annähernd richtig
arerzugeben. Wer beschreibt dann ferner die
* der parasitischen Farren, der Philodendron-
. tausend anderer, die die Stämme der
iäne Uusschltngen, oder das reizende Absplenium
an Se as mit seinen langen, säbelförmigen Blättern
ämmen und Asten wuchert?
zenden wir uns nun zu den Bäumen! Welcher
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Reichtum an Arten, Gestaltung und Farbe! Man
würde sich täuschen, wenn man glaubte, der tropische
Urwald bestände nur aus Riesenbäumen. Es zeigen
sich vielmehr nebeneinander die verschiedensten Stadien
im Leben der Bäume. Hier strebt eine Anzahl
schwacher Bäumchen in die Höhe; wer weiß, wie
viele von ihnen völlig auswachsen werden, denn die
sie umgebenden älteren Bäume gönnen ihnen kaum
einen Sonnenstrahl. Dort erhebt sich ein mächtiger
Baum, und etwas weiter wurzelt ein Riese, wie
die Säule eines Domes, mit seiner mächtigen,
breiten Krone einem Gewölbe gleich. Die Bäume
wachsen rasch und fallen, sobald sie ihre Ent-
wicklung erreicht haben, dem Klima und Stürmen
zum Opfer. Mit Ausnahme der Nadeln tragenden
Kasuarinen sind alle Bäume mit immergrünem
Laub bedeckt. Es kommt kein herbstlicher Reif,
kein kalter Wintersturm, der die Blätter fahl
färbt. Gewisse Bäume werfen ihre Blätter auf
einmal ab, um innerhalb einiger Tage ein neues,
frisches Laubkleid anzulegen; andere wersen ihr Laub
nur nach und nach ab und ersetzen es ebenso, so
daß man das ganze Jahr hindurch auf denselben
Bäumen frisches, junges Grün mit dem dunklen,
älteren beobachten kann. Die verschiedenen Stimmungs=
bilder, die der europäische Wald in den vier Jahres-
zeiten dem Wanderer bietet und dabel sein Herz
bald zum Sang und frohen Jubel stimmt, bald mit
Todesahnungen erfüllt, vermag der tropische Wald
nicht hervorzurufen. Trotz seiner Pracht und Groß-
artigkeit verliert er daher beim jahraus, jahrein
gleichen Anblick den großen Reiz, den er für den
Neuling hat.
Manche Bäume wachsen schlank und kerzengerade
aus dem Boden, andere senden bis zu halber Höhe
und selbst noch von ihren Zweigen herab ein ganzes
Wurzelgehege zur Erde, das für sich allein einen
kleinen Wald bildet. Wieder andere haben mächtige,
platte Strebewurzeln, gleich ebensovielen Contreforts,
die bis zu 5m hoch, nach allen Richtungen sich
wendend und auf der Erde noch schlängelnd sich
weiter verbreltend, dem Fuße der Bäume eine
kolossale Ausdehnung, dem Baume aber Festigkeit
geben. Der Raum zwischen zweien solcher platten
Streben ist bisweilen so breit und lang, daß mehrere
Personen bequem nebeneinander stehen und liegen
können. Verbände man zwei Strebewurzeln mit
einem Dache, so erhielte man eln kleines Zimmer.
Der Balninger pflegt, wenn ihn der Weg an solchen
Bäumen vorbelführt, stehen zu bleiben, um große
Steine mit aller Gewalt gegen die Strebewurzeln
zu schleudern. Er bringt dadurch einen dumpfen,
weit hörbaren Ton, gleich einem fernen Gewehrschuß,
hervor. Unter den hiesigen Waldbäumen findet man
eine ganze Anzahl, namentlich Ficusarten, welche ihre
Blüten und Früchte am ganzen Stamm, statt an
der Krone entwickeln. .
Auf elnem Heltar Land kann man zuwellen bis
zu 100 Arten von Bäumen und Gewächsen zählen.