Full text: Von Potsdam nach Doorn.

König Wilhelm I., der spätere Kaiser, war ebenfalls Freimaurer und, wie 
Bismarck in seinen ‚Gedanken und Erinnerungen“ schreibt, von einer ‚fast 
religiösen Treue‘‘ gegenüber seinen Freimaurerbrüdern erfüllt. Bismarck 
mußte in verschiedenen Fällen erst Kämpfe mit dem alten Kaiser bestehen, 
ehe er die Versetzung oder Kaltstellung unzuverlässiger freimaurerischer 
Diplomaten erreichen konnte. Kaiser Wilhelm war von irgendeinem Miß- 
trauen gegen die Ziele der Freimaurer und ihre Tätigkeit weit entfernt. Die 
freimaurerische Idee hielt er nicht für gefährlich oder verwerflich ; im Gegen- 
teil: die ‚‚menschliche‘‘ Qualität sollte sie heben und das Ganze der drei alt- 
preußischen Logen auf einen Boden echter, unerschütterlicher und für die 
Gesamtgesinnung maßgebender vaterländischer, monarchischer Treue 
stellen und, was für ihn selbstverständlich war, auch einer echt christlichen 
Gesinnung. 
Wilhelm I. suchte dies zu fördern, indem er den preußischen Offizier und 
die preußischen Adligen und Beamten anregte, in die Loge einzutreten. Der 
preußische Adel war schon in den früheren Jahrzehnten des Jahrhunderts 
stark in den altpreußischen Logen vertreten gewesen. 
Als nach dem Weltkriege die Tätigkeit und das Wesen des Ordens wieder 
Gegenstand des Studiums einiger deutscher Kreise wurden, fiel auf, wie — 
schon in der dritten Generation — so viele Offiziere, Beamte und Adlige dem 
Orden angehörten. Die Autorität und persönliche Verehrungswürdigkeit des 
alten Kaisers machte den Eintritt in eine der altpreußischen Logen zu einer 
Mode in den oberen Schichten. Erst Erfahrungen des Weltkrieges haben 
Schlaglichter in die Abgründe von Heuchelei und Verrat geworfen. Jene 
vielen ehrenwerten und arglosen Leute der unteren und mittleren Grade 
hatten gewiß recht, wenn sie, wie nachher so oft, erklärten: Ich gehöre der 
Loge nun seit dreißig Jahren an, ebenso wie mein Vater und Großvater, und 
habe da nie etwas Unrechtes gesehen und gehört. Meine Loge ist absolut 
christlich, vaterländisch und königstreu ; geheime Obere gibt es in der Frei- 
maurerei nicht, Juden sind nicht darin, sondern nur Christen! Daß unter den 
Christen sich nicht wenig getaufte Juden befanden, wurde natürlich ver- 
schwiegen, oder die anderen Brüder wußten es selbst nicht, hätten sich auch 
schwerlich darum gekümmert. So kam es, daß unter dem Schilde der 
Christlichkeit und Königstreue diese drei Großlogen sicher geborgen 
waren, während ihre eigentliche Führung sich der Kenntnis der Brüder, das 
heißt der unteren und mittleren Grade, entzog. Es ergibt sich, daß jene Re- 
formation des altpreußischen Freimaurertums in Wirklichkeit nur dazu ge- 
dient hat, der freimaurerischen Oberleitung ihr Arbeiten zu erleichtern und 
den jüdisch-freimaurerischen Einfluß in Kreise und an Stellen zu tragen, 
wohin er sonst nicht oder nur schwer gelangen konnte. Das Freimaurertum 
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