Politik betreiben, die fast ausschließlich auf den Vorteil unserer Mitbürger
mosaischen Glaubens und jüdischer Nationalität angelegt ist — in dem-
selben Moment, sagen wir, in dem die christliche deutsche Bevölkerung sich
hierüber klar wird, muß natürlich auch eine Reaktion gegen die überaus fein
und schlau kombinierte Börsenpolitik eintreten, und es kann alsdann die
Stellung der Juden in unserem Staatsleben hiervon nicht unberührt bleiben.“
Die dann folgenden Artikel wandten sich gegen die genannten Minister,
Camphausen und Delbrück, damit indirekt und dann auch direkt gegen den
Fürsten Bismarck, hauptsächlich wegen seiner Verbindung mit Bleichröder.
Dazu noch die folgenden Proben: ‚,... So sind wir doch genügend darüber
informiert, daß Herr von Bleichröder nicht nur in persönlichen Finanz-
angelegenheiten des Fürsten-Reichskanzlers, sondern auch bezüglich der
Reichs-Finanz- und Wirtschaftspolitik mit Erfolg seinen Rat vernehmen
läßt... Ausguten Quellen wissen wir, daß die wichtigsten finanzwirtschaft-
lichen Gesetze des neuen Deutschen Reiches der intellektuellen Urheber-
schaft des Herrn von Bleichröder zu verdanken sind ... Der Fürst-Reichs-
kanzler hat nämlich, soweit unser Urteil und unsere Informationen irgend
reichen, dem Konsortium Bleichröder, Delbrück, Camphausen die intellek-
tuelle Inspiration der neudeutschen Wirtschaftsgesetzgebung sozusagen
vollständig in Entreprise gegeben. Der sonst so penetrante Verstand des
Fürsten, sein praktischer Blick und seine so eminent selbständige Urteils-
gabe scheint vor den Fragen der Wirtschaftsgesetzgebung absichtlich halt-
zumachen, um dieselben Männern zu überlassen, deren Standpunkt klar-
zulegen wir hier bemüht sind.“
*
Fürst Hohenlohe notiert in sein Tagebuch, Bismarck habe ihm gesagt:
über politische Vorgänge in Frankreich erhalte er Nachrichten über Bleich-
röder und dessen französische Finanzverhandlungen vierzehn Tage früher
als durch seinen Botschafter.
Die Stellung Bleichröders und seine Beziehung zum Kanzler ist für
Deutschland ein Unglück gewesen, die Schädlichkeit und Gefahr lag in dem
des großen aktiven Einflusses, den Bleichröder, offenbar mit Billigung, wenn
nicht überhaupt mit Ermächtigung Bismarcks, auf die deutsche Finanz-
politik ausgeübt hat.
Als Hohenlohe Botschafter in Paris war, besuchte er bei jeder Berliner An-
wesenheit Bleichröder; ein Freund des Juden war er keineswegs:
1879: „Dann besuchte ich Bleichröder. Er sprach vom Kaiser von Ruß-
land, von Rumänien, vom Kulturkampf und so weiter. Dann kam er darauf,
daß ich Nachfolger Bülows werden müßte, er, Bleichröder, habe es dem
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