Reichskanzler vorgeschlagen.‘‘ (Bülow war der verstorbene Staatssekretär
Bismarcks.)
Zwei Tage später: ‚Heute sprach ich mit Bleichröder, der von Rußland
Briefe erhalten haben will, wonach der Kaiser unzurechnungsfähig sei. Man
sei sehr erbittert gegen Deutschland, namentlich gegen Bismarck und seinen
Vertrag. — Besonders interessante Gegenstände für den Kanzler von Pariser
Berichten seien: finanzielle Verwicklung; die Frage, ob ein französisch-
italienisches Anlehen abgeschlossen werde, die Frage der russisch-franzö-
sischen Allianz.“
Ein anderes Mal ist er wieder bei Bleichröder: ‚Ich habe anderthalb
Stunden bei Bleichröder gesessen und seine talmudische Weisheit angehört.
Was mir an dem Gespräch unangenehm war, daß Bleichröder in handels-
politischen Fragen bei Bismarck doch Einfluß zu haben scheint. Er tut, als
wenn er mit regierte ... Mir scheint, als ob die eigennützige jüdische Han-
delspolitik Bleichröders an dem Sturze Delbrücks und an manchen unreifen
Finanzprojekten der neueren Zeit schuld sei.“
‚Heute bei Bleichröder, der mir in zweistündiger Unterredung viel Inter-
essantes sagte Bismarck will von einer Friedensvermittlung nichts
wissen, weil er — mit Recht — sagt, daß die Russen uns dann die Schuld
eines faulen Friedens zuschreiben würden, In der inneren Politik arbeitet
Bleichröder an einer Reform der Handelsgesetzgebung, Schutzzoll.‘“
Das war im Herbst 1877, kurz bevor Bismarck zur Schutzzollpolitik über-
ging, einer Wirtschaftspolitik, die den Juden durchaus gegen den Strich
ging. Man darf annehmen, daß Bleichröder sich in diese Mitarbeit hinein-
gedrängt hat, um sie nach der anderen Seite womöglich zu ändern, jedenfalls
zu mildern.
*
Kommen wir noch einmal auf die Perrotsche Presseaktion zurück, so zeigen
dieAusführungen,soweitmanrückwärtigzu beurteilen vermag, vielesRichtige
und einen gesunden Kern. Auch wenn er iin einem anderen Artikel sagte:
„Da ist die möglichst vollständige Verduftung der Milliarden (der fran-
zösischen Kriegsentschädigung), ohne daß damit irgend wesentlicher und
bleibender Nutzen für die Nation geschaffen worden, eine Leistung ersten
Ranges. Minister, die dem Bankgeschäft und den Börsenmächten weniger
nahegestanden hatten, wie die Herren Delbrück und Camphausen, hätten
den Milliardensegen benutzt, um das Reich und die Bundesstaaten aus der
Schulduntertänigkeit der Bankgeschäfte unserer israelitschen Mitbürger zu
befreien und ein Staats-Wirtschaftssystem zu inaugurieren, das die für den
allgemeinen Nutzen gewidmeten Anlagen herzustellen ermöglicht hätte,
ohne dafür tributär und von ihnen abhängig zu werden und zu bleiben. Die
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