Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Gefahr, daß dergleichen wirklich geschehen könnte, war imminent, und un- 
sere jüdischen Mitbürger dürften sich gratulieren, daß in Deutschland und 
Preußen zwei Ministeram Ruder waren wie die Herren Delbrück und Camp- 
hausen, und daß ein Bankier, wie Herr von Bleichröder, das Ohr und Ver- 
trauen des leitenden deutschen Staatsmannes und seiner Minister besaß.“ 
Was Perrot 1875 schrieb, hat sich voll bestätigt. Sein Bruder Karl Perrot 
erzählte dem Verfasser dieses Buches mündlich und hat es später in seiner 
Schrift: ‚Bismarck und die Juden‘ ebenfalls niedergelegt: Als sein Bruder 
Franz 1891 von beinahe allen verlassen (die Konservativen hatten Perrot 
wegen ihrer eigenen Beziehungen zum Judentum noch in den siebziger 
Jahren fallen lassen) im Sterben lag, habe er ihm gesagt: ‚Soll unser deut- 
sches Vaterland rettungslos der Korruption preisgegeben sein ?‘ — Und die 
Korruption kam, war schon da! 
Franz Perrot ist seit zwei Menschenaltern so gut wie vergessen. Dabei 
gehört gerade er zu den wenigen Persönlichkeiten, die — in einem ent- 
scheidenden Augenblick des neuen Reiches — die jüdische Arbeit klar und 
scharf erkannt haben. Ja, er war wohl der einzige, der die ungeheure Gefahr 
der jüdischen Finanzgesetzgebung begriff und andere Wege wies, als es noch 
Zeit war, Wege, die einfach und praktisch gerade in jenem denkbar gün- 
stigen Augenblick der französischen Kriegsentschädigung unmittelbar und 
praktisch beschritten werden konnten. 
Auf der anderen Seite ist festzustellen, daß die kapitalistische Entwick- 
lung des Reiches keineswegs als das alleinige Werk der in Deutschland le- 
benden Juden angesehen werden kann. Der Kapitalismus beherrschte seit 
drei Vierteljahrhunderten Europa unter jüdischer Führung. Der Bevölke- 
rung kam sie wenig oder gar nicht oder als ‚‚fortschrittliche Entwicklung‘ 
zum Bewußtsein. Daß die Fürsten und Regierungen der Staaten diese ihre 
schimpfliche Abhängigkeit nicht über die Dächer riefen, liegt nahe genug, 
und als die Juden im neunzehnten Jahrhundert einen ihrer Emanzipations- 
siege nach dem anderen errangen, sich in Massen taufen ließen und zum Teil 
unjüdische Namen annahmen, und schließlich der ‚Staatsbürger‘ alles zu- 
deckte, fragte man wenig, wer und was hinter den Aktiengesellschafts-Grün- 
dungen der siebziger und achtziger Jahre stand Überdies, es war das 
bürgerliche Zeitalter: war einer Staatsbürger, so war er eben damit Deut- 
scher. Wie konnte man auch dem Juden übelnehmen, daß er einen ‚anderen 
Glauben‘ habe ? War nicht trotzdem ‚‚derselbe Gott‘‘? Gab es nicht viele 
Juden, die uneigennütziger waren als — ‚mancher Christ‘‘ ? Und was hatten 
die armen Juden schon an Verfolgung und Mißhandlung ausstehen müssen ! 
Daß sie Geld verdienten, war doch kein Fehler, und wie nützlich wurde 
dadurch der Jude für Staat und Reich! Nun hatte er endlich alle Rechte des 
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