Full text: Von Potsdam nach Doorn.

helm II. wird, als er im November 1918 nach Holland ging, an diese Worte 
Bismarcks, der den Kaiserthron aufgerichtet; hatte, schwerlich gedacht 
haben. Und doch ist es eine Voraussage gewesen, hervorgegangen aus der 
Befürchtung, daß dem Prinzen und späteren Kaiser jene Kraft, die sein 
Großvater besaß, nicht innewohnte. 
In seinen späteren Veröffentlichungen (,‚Gedanken und Gestalten‘ 1921) 
hat Kaiser Wilhelm II. seine Position nach der Thronbesteigung als be- 
sonders schwierig hingestellt, weil sein Vater nur drei Monate regiert habe, 
er eigentlich der direkte Nachfolger seines Großvaters gewesen sei, also ge- 
wissermaßen eine ‚Generation übersprungen‘ habe. In allen Stellungen habe 
er bei seinem Regierungsantritt sehr alte Leute angetroffen, die ganz andere 
Anschauungen hatten als er. 
Man könnte mit demselben Recht einwenden, daß er erheblich größeren 
Schwierigkeiten begegnet sein würde, wenn er als Nachfolger seines Vaters, 
nach einer längeren Regierung desselben, auf den Thron gekommen wäre. 
Kaiser Wilhelm II. würde es bei der Entfernung überalterter hoher Beamten 
und Offiziere bedeutend schwerer gehabt, mehr böses Blut erregt haben, 
wenn sein Vater, sagen wir, zehn Jahre regiert gehabt hätte, schon wegen 
seiner schroffen persönlichen und politischen Gegensätze gegen Vater und 
Mutter und deren Anhänger. Während der Wochen, die der kranke Kaiser 
Friedrich unter Bismarcks Führung regierte, war der politische Kurs nicht 
geändert worden. Die hohe Beamtenschaft Wilhelms I. war noch ganz vor- 
handen, vor allem in Gestalt ihres ersten und mächtigsten Vertreters: des 
Reichskanzlers. Vielleicht hat Wilhelm II. mit jenem wiederholt gebrauchten 
Argument nachträglich sagen wollen, sein Unglück sei eben gewesen, daß er 
zu Bismarcks Lebzeiten und als dieser noch im Amt gewesen sei, den Thron 
bestiegen habe. 
Aber solche Argumentationen des Kaisers tragen deutlich genug den 
Stempel eines nachträglich erdachten Plädoyers, während Kaiser Wilhelm II. 
als Prinz und Kronprinz nicht selten und in stärksten Worten sein Geschick 
gepriesen hatte, als junger Herrscher den großen erfahrenen Staatsmann 
neben sich zu haben, um bei ihm zu lernen. Werfen wir einen Blick auf das 
Erbe, das Wilhelm II. im Juni 1888 antrat: 
Seit nicht ganz achtzehn Jahren bestand das neue Deutsche Reich. Es 
war entstanden nach drei Kriegen, durch die politische und diplomatische 
Meisterschaft Bismarcks. Kaum daß die Welt die europäische Bedeutung zu 
begreifen angefangen hatte, so zeigten sich schon die Vorboten des späteren 
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