Full text: Von Potsdam nach Doorn.

gefährliche Parlamentsherrschaft. Wenn Seine Majestät meinem Rate keine 
Bedeutung beilege, so wisse ich nicht, ob ich dann noch an meinem Platze 
sei. Hieraufhin wandte sich der Kaiser an den Staatssekretär von Bötticher 
und sagte ihm: ‚Dadurch werde ich in eine Zwangslage versetzt.‘ 
%* 
In jener Sitzung hatte Bismarck den Auftrag vom Kaiser erhalten, die 
beiden von ihm entworfenen ‚‚Arbeitererlasse‘“ für die Öffentlichkeit ent- 
sprechend zu redigieren. Nachdem, als es geschehen war, legte der Kanzler 
sie dem Kaiser zur Unterzeichnung vor, machte aber noch ein letztes Mal 
seine Bedenken dagegen geltend und bat den Kaiser, die Erlasse in das 
Kaminfeuer werfen zu dürfen. Der Kaiser verneinte und unterzeichnete. 
Die Erlasse lauteten: 
An den Reichskanzler. 
„Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter 
die Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche Meiner Fürsorge 
durch die Nothwendigkeit gezogen werden, die deutsche Industrie auf dem 
Weltmarkte concurrenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter 
Existenz zu sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Verlust 
ihres Absatzes im Auslande würde nicht nur die Unternehmer, sondern auch 
ihre Arbeiter brotlos machen. Die in der internationalen Concurrenz be- 
gründeten Schwierigkeiten der Verbesserung der Lage unserer Arbeiter 
lassen sich nur durch internationale Verständigung der, an der Beherr- 
schung des Weltmarkts beteiligten Länder wenn nicht überwinden, doch 
abschwächen. In der Überzeugung, daß auch andere Regierungen von dem 
Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer gemeinsamen Prüfung zu 
unterziehen, über welche die Arbeiter dieser Länder unter sich schon inter- 
nationale Verhandlungen führen, will Ich, daß zunächst in Frankreich, 
England, Belgien und der Schweiz durch Meine dortigen Vertreter amtlich 
angefragt werde, ob die Regierungen geneigt sind, mit uns in Unterhand- 
lungen zu treten behufs einer internationalen Verständigung über die Mög- 
lichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegen- 
zukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zu 
Tage getreten sind. Sobald die Zustimmung zu meiner Anregung im Prinzip 
gewonnen sein wird, beauftrage Ich Sie, die Cabinete aller Regierungen, 
welche an der Arbeiterfrage den gleichen Antheil nehmen, zu einer Conferenz 
behufs Berathung über die einschlägigen Fragen einzuladen. 
Wilhelm I. R.“ 
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