Full text: Von Potsdam nach Doorn.

mehr an die österreichische Grenze gelegt wurden, vor mehr als einem 
Vierteljahr. Dem Generalstabe war dies alles bekannt gewesen.‘ Bismarck 
schreibt: 
„Also, weil ein Konsul einige, zum Teil drei Monate alte militärische Vor- 
gänge aus dem Bereich seiner Wahrnehmung berichtet hatte ..., sollte 
Österreich in Alarm gesetzt, Rußland bedroht, der Krieg vorbereitet und 
der Besuch, zu dem Se. Majestät sich aus eigenem Antriebe angemeldet 
hatte, aufgehoben werden; und weil die Berichte des Konsuls verspätet ein- 
gegangen waren, wurde mir implicite der Vorwurf des Landesverrats ge- 
macht, der Vorenthaltung von Tatsachen, um eine von außen drohende 
Gefahr zu vertuschen.‘ 
Der Kanzler setzte sofort in einem Bericht an den Kaiser die tatsächliche 
Lage der Dinge auseinander, nach einigen Tagen erhielt er die Akten zurück, 
ohne daß die unglaubliche Beschuldigung vom Kaiser zurückgenommen 
worden wäre. 
Am selben Tage, also in dem Augenblick, als der Kaiser Alarm gegen Ruß- 
land geschlagen haben wollte, ließ sich der eben aus Petersburg eintreffende 
russische Botschafter bei Bismarck melden: er sei vom Zaren geschickt und 
bevollmächtigt worden, um den seinerzeit mit Bismarck geschlossenen Rück- 
versicherungsvertrag zu erneuern. Eine grausamere Ironie auf die erregten 
Vorwürfe des Kaisers läßt sich schwer denken. Auf die Sache selbst kommen 
wir zurück. Am selben Tage erschien der Kaiserliche Chef des Zivilkabinetts 
und bestellte den Auftrag des Kaisers: 
„Weshalb das am Morgen geforderte Abschiedsgesuch noch nicht ein- 
gegangen sel.“ 
„Ich‘‘ — schreibt Bismarck — ‚‚erwiderte, der Kaiser könne mich ja zu 
jeder Stunde ohne meinen Antrag entlassen, und ich könne nicht beabsich- 
tigen, gegen seinen Willen in seinem Dienste zu bleiben; mein Abschieds- 
gesuch wollte ich aber so einrichten, daß ich es demnächst veröffentlichen 
könne. Nur in dieser Absicht entschließe ich mich überhaupt, ein solches ein- 
zureichen. Ich gedächte nicht, die Verantwortlichkeit für meinen Rücktritt 
selbst zu übernehmen, sondern sie Sr. Majestät zu überlassen.“ 
Am 18. März schickte Bismarck sein Abschiedsgesuch ein. Am 20. März 
erhielt er ‚in zwei blauen Briefen‘‘ den Abschied. Die beiden Kaiserlichen 
Orders, ebenfalls geschichtliche und hauptsächlich psychologische Doku- 
mente, lauteten wie folgt: 
„Mein lieber Fürst! Mit tiefer Bewegung habe Ich aus Ihrem Gesuche vom 
18. d. M. ersehen, daß Sie entschlossen sind, von den Ämtern zurückzutreten, 
welche Sie seit langen Jahren mit unvergleichlichem Erfolge geführt haben. 
Ich hatte gehofft, dem Gedanken, Mich von Ihnen zu trennen, bei unseren 
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