Full text: Von Potsdam nach Doorn.

ERSTER ABSCHNITT 
Der lange Weg zur deutschen Einung 
Die Französische Revolution und der deutsche Gedanke 
Man ist gewöhnt, die Französische Revolution von 1789 mit äußerstem 
Abscheu in Bausch und Bogen zu verwerfen. Es gibt kaum ein Übel und eine 
schlechte Wirkung, die ihr in der üblichen Geschichtsschreibung, besonders 
der Schule, nicht: beigemessen wurde. Wir beabsichtigen keine ‚Ehren- 
rettung‘‘ der Revolution von 1789, halten aber gerade für unsere Unter- 
suchung geboten, ohne doch die Greuel der Revolution im mindesten ver- 
kleinern zu wollen, auch den Gedanken, aus dem sie hervorging, und was sie 
an Wirkungen mit sich brachte, uns wieder bewußt zu machen: 
Die Französische Revolution war ursprünglich eine Bewegung zur natio- 
nalen Befreiung, um durch sie zur Freiheit zu gelangen. Die Geister und 
Seelen wollten sich befreien vom Absolutismus der Kirche, vom Absolu- 
tismus auch der Monarchie und des Adels. Wie weit und in welchen Haupt- 
punkten dieses Ziel überschossen wurde, welche fremden Elemente sich im 
Verlauf der Bewegung mit wachsenden Einfluß eingeschlichen haben, ist 
eine Sache für sich. Festzuhalten bleibt das Leitmotiv: die Befreiung. 
In Deutschland drückte der Absolutismus der zahlreichen größeren und 
kleineren Fürsten und besonders stark in allen den deutschen Gebieten, die 
der Dreißigjährige Krieg verarmt und in hohem Grade entvölkert hatte. 
Die Generationen jenes Jahrhunderts hatten immer nur gelernt zu dulden 
und zu leiden, zu darben, sich mühsam und unterdrückt durch das Leben zu 
schleppen, in Demut und Scheu und in wachsendem verhehltem Haß unter 
dem jeweiligen Herrscher zu leben und unter den vielen kleineren Herren: 
dem Adel. Die Fürsten hatten keine deutschen Ziele, fühlten keine Ver- 
bundenheit, bei seltenen Ausnahmen, mit ihren Untertanen. Ihr Bestreben 
war darauf gerichtet, ihre Fürstentümer auf Kosten anderer Fürsten zu ver- 
größern, und sie nahmen keinen Anstoß daran, sich dazu der Hilfeleistung 
des Auslandes zu bedienen. Über den damaligen Zustand des ‚Heiligen 
Römischen Reiches Deutscher Nation‘ braucht kein Wort verloren zu 
werden. Die alte ‚Kaiserherrlichkeit‘‘ war einerseits zu einem romantischen 
Traum der Vergangenheit geworden, andererseits zu bitterem Lachen oder 
zum Deckmantel für egoistische Zwecke, die durch Frankreich sorglich 
gepflegt wurden. 
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