Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Auch damit ist es anders gekommen! Das Bismarck-Drama war zu Ende. 
Daß es zur Tragödie werden würde, in seinen Folgen und Wirkungen, hatte 
der Schöpfer des Reiches vorausgesehen. 
Die verflossenen acht Jahre ohne Bismarck, als Leiter der Politik des 
Reiches, hatten nicht gehalten, was der Kaiser, sei es ausdrücklich in Worten 
oder indirekt durch seine Haltung im Inneren und nach außen, in reicher 
Wiederholung — dem deutschen Volk tönend verkündet hatte. Nicht nur 
das Prestige des Reiches in der Welt hatte dauernd abgenommen, sondern 
seine Machtstellung in Europa war auch, real betrachtet, ohne Unter- 
brechung zurückgegangen, in der Hauptsache durch die Wirkungen und 
Folgen der Nichterneuerung jenes Neutralitätsvertrages mit Rußland. 
Dem General von Caprivi hatte Wilhelm II. gesagt: ‚Sie kochen alle mit 
Wasser, und die Verantwortung übernehme Ich selbst!‘“ — Der Kanzler 
hatte schnell gezeigt, daß er weniger gut mit Wasser zu kochen verstand wie 
die Staatsmänner der anderen Mächte, besonders diejenigen Großbritan- 
niens. Wilhelms II. stolzes Wort: Wenn er den Alten eine Weile sich hätte 
verschnaufen lassen, ‚dann regiere Ich selbst‘‘, war verwirklicht worden, 
jedoch zum Schaden des Reichs. Niemand konnte und kann bezweifeln, daß 
der Kaiser überzeugt war, als er sagte: ‚‚Zu Großem sind wir noch bestimmt, 
und herrlichen Tagen führe Ich euch noch entgegen.‘ Aber schon 
die ersten acht Jahre bewiesen, daß Herbert Bismarck im Jahre 1890 recht 
gehabt hatte, als er seinem damaligen intimen Freunde, Philipp Eulenburg, 
sagte: „Was sich der Kaiser denkt, weiß ich nicht. Ebensogut kann man 
einem Kinde ein sehr kostbares Spielzeug geben, als dem Kaiser die Re- 
gierung.‘“ — 
Es war dem Kaiser nicht gelungen, nach außen auch nur einen einzigen 
Erfolg zu erringen, es war ihm nicht einmal gelungen, auch nur während 
dieser kurzen Zeitspanne das große, reiche Erbe intakt zu halten, das Bis- 
marck ihm hinterlassen hatte. Es würde ihm aber gelungen sein, wenn er 
wenigstens versucht hätte, in der Hauptlinie der großen Politik Bismarcks 
zu folgen. Das gerade aber wollte er nicht, sondern seine Außenpolitik lief 
der Bismarcks entgegen: Bismarck zu folgen widersprach seiner Über- 
heblichkeit und Eitelkeit und seinem brennenden Bedürfnis, in der Welt be- 
sprochen und in Deutschland gepriesen zu werden, sich in allen Spiegeln be- 
wundern zu können, die servile Schmeichelei ihm vorhalten würde. 
Wilhelm II. wollte ‚‚etwas Neues‘‘ machen, er selbst allein! Etwas, das 
ausschließlich mit seinem Namen verbunden sein, die Mitwelt mit seinem 
Ruhm erfüllen und diesen auf die Nachwelt bringen sollte. Nicht zum wenig- 
sten deshalb konnte er den Tag der endgültigen Trennung von Bismarck 
nicht erwarten, es war ihm die Beseitigung eines bisher unüberwindlichen 
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